1706, 21. Februar (Arnstadt): Urlaubsüberschreitung bei der Reise nach Lübeck und Nachlässigkeiten im Organistendienst

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PROTOKOLL DER UNTERREDUNG

Actum den 21. Febr. 706

 

Wird der Organist in der Neuen Kirchen Bach vernommen, wo er unlängst so lange geweßen, vnd bey wem er deßen verlaub genommen?

                Ille

Er sey zu Lübeck geweßen vmb daselbst ein vnd anderes in seiner Kunst zu begreiffen, habe aber zu vorher von dem Herrn Superintend verlaubnüß gebethen.

    Dn Superintd.

Er habe nur auf 4. Wochen solche gebethen, sey aber wohl  4. mahl so lange außenblieben.

                Ille.

Hoffe das orgelschlagen würde unterdeßen von deme, welchen er hiezu bestellet, dergestalt seyn versehen worden, daß deßwegen keine Klage geführet werden können.

               Nos

Halthen Ihm vor daß er bißher in dem Choral viele wunderliche variationes gemachet, viele frembde Thone mit eingemischet, daß die Gemeinde drüber confundiret worden. Er habe ins künfftige wann er ja einen tonum peregrinum mit einbringen wolte, selbigen auch außzuhalthen, vnd nicht zu geschwinde auf etwas anders zu fallen, oder wie er bißher im brauch gehabt, gar einen Tonum contrarium zu spiehlen. Nechst deme sey gar befrembdlich, daß er bißher gar nichts musiciret worden, deßen Ursach er geweßen, weiln mit den Schühlern er sich nicht comportiren wollen, Dahero er sich zu erclähren, Ob er so wohl Figural alß Choral mit den Schühlern spiehlen wolle? Dann man ihm keinen Capellmeister halthen könne. Da ers nicht thuen wolte, solle ers nur categorice von sich sagen, damit andere gestalt gemachet vnd iemand der dießes thäte, bestellet werden könne. |

                Ille

Würde man, ihm einen rechtschaffenen Director schaffen, wolte er schon spiehlen.

               Res.

                Soll binnen 8. tagen sich erclähren.

Eod. Erscheint der Schühler Rambach vnd wird Ihm gleichfalß vorhalt gethan wegen der Disordres so bißher in der Neuen Kirchen zwischen denen Schühlern vnd dem Organisten passiret.

                Ille

Der Organist Bach habe bißhero etwas gar zu lang gespiehlet, nachdem ihm aber vom Herrn Superint deswegen anzeige beschehen, währe er gleich auf das andere extremum gefallen, vnd hätte es zu kurtz gemachet.

                Nos

Verweißen ihm daß er leztverwichenen Sontags unter der Predigt in Weinkeller gangen.

                Ille

Sey ihm leid, solte nicht mehr geschehen, vnd hatten ihm bereits die Herren Geistlichen deswegen hart angesehen. Der Organist hätte sich über ihn wegen des Dirigirens nicht zu beschwehren, indeme nicht Er sondern der Junge Schmid es verrichtet

                Nos

Er müße sich künfftig gantz anders vnd beßer alß bißher er gethan, anstellen, sonst würde das guthe, so man ihm zugedacht wieder eingezogen werden. Hätte er gegen den Organisten etwas zu errinnern, solle ers gehörigen orths an|bringen, vnd sich nicht selbst recht geben, sondern sich dergestalt zu bezeigen, daß man mit ihn zufrieden seyn könne, welches er versprochen. Ist auch hierauf dem Canzley Diener anbefohlen, dem Rectori zu sagen, daß er Rambachen 4. Tage nach einander 2. Stunden ins Carcer gehen laßen solle.

 

Quelle: Bach-Dokumente, Band 2, Nr. 16