Johanniskirche

Im Westen der Stadt Lüneburg entstand vermutlich bis etwa 1390 die imposante fünfschiffige gotische Hallenkirche St. Johannis mit ihrem heute rund 109 Meter hohen Turm. Das Kirchenpatronat liegt bis heute beim Stadtrat; in den 1470er Jahren ließ dieser ein neues Ratsgestühl anfertigen. 1484/85 lieferte ein Hamburger Maler die Tafelgemälde für den Hochaltar, die Schnitzerei vergoldete ein Lübecker Goldschläger. 1569 fertigte Heinrich Malz aus Lübeck eine neue Kanzel nach dem Vorbild aus der dortigen Katharinenkirche. Das eindrucksvolle, um 1420 entstandene Chorgestühl mit seinen 14 Sitzen besaß zunächst keine Rückwand; diese fertigte Warneke Burmester erst 1589. Nach Osten schließen hohe Wangen mit Darstellungen von Aposteln, der Ecclesia und Synagoge das Chorgestühl ab. Neben den Schnitzaltären im Chorraum und der Taufkapelle zählt der um 1490 entstandene Marienleuchter im nördlichen Seitenschiff zu den kunsthistorischen Schätzen. Ein sechsseitiger Baldachin, aus vergoldetem Eisen gefertigt, trägt eine aus Eichenholz geschnitzte, farbig gefasste und teilvergoldete Madonnenfigur im Strahlenkranz, umgeben von sechs musizierenden Engeln mit zeitgenössischen Musikinstrumenten und flankiert von zwei seitlichen, größeren Engeln. An der Rückseite dieser Figur befindet sich die Figur eines Bischofs.

Die ursprünglich reichhaltige Ausstattung der Kirche, wie sie Johann Sebastian Bach 1700–1702 erlebte, ist infolge der purifizierenden Restaurierungen im späten 18. und vor allem 1856/57 verloren oder zumindest verändert worden. Einige Kunstwerke kamen aus der 1860/61 abgebrochenen Lambertikirche hinzu, beispielsweise das 1540 von Sivert Barchmann im Auftrag der Sülfmeister gegossene Taufbecken, dessen Deckel an geschmiedeten Eisengliedern, mit vergoldeten Kugeln verbunden, aus dem Gewölbe abgehängt ist. Das ursprünglich 1685 für St. Johannis geschaffene Taufbecken mit seinen barocken Putten aus Kalkberg-Gips befindet sich als Leihgabe in der Kirche zu Deutsch-Evern, südöstlich von Lüneburg.

Besonderer Anziehungspunkt dürfte für den orgelinteressierten Johann Sebastian Bach die 1551–1553 mit 27 Registern auf drei Manualen und Pedal durch Hendrik Niehoff und Jasper Johannsen aus s’Hertogenbosch erbaute Orgel auf der Westempore gewesen sein. Dirk Hoyer ergänzte 1576 im Hinterwerk den erhaltenen Untersatz 16′. Nach einigen Reparaturen erweiterte 1651/52 Friedrich Stellwagen aus Hamburg das Instrument auf 40 Register und stimmte es im Chorton. In dieser Form übernahm es Georg Böhm, der am 26. September 1698 seine Bestallung zum Organisten als Nachfolger von Christian Flor erhielt; als Kantor wirkte 1694–1709 Johann Heinrich Büttner.

Böhm überzeugte den Stadtrat von der Notwendigkeit einer Modernisierung der Orgel durch Mathias Dropa, ehemaliger Mitarbeiter des berühmten Hamburger Orgelbauers Arp Schnitger, der 1705–1707 für die Michaeliskirche eine neue Orgel gebaut hatte. Zwischen 1712 und 1715 fertigte Dropa die markanten Pedaltürme der Johannisorgel und erweiterte das Instrument auf 47 Register.
Während seines Aufenthalts in Lüneburg pflegte Bach gute Beziehungen zu Georg Böhm. Es ist daher denkbar, dass sich beide nach Bachs Abreise über die Erweiterung der Orgel austauschten oder dass Bach im Spätjahr 1720 anlässlich seiner Bewerbung als Organist der Hauptkirche St. Jacobi in Hamburg die vergrößerte Johannis-Orgel besuchte.

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