Amtshaus, Konsistorium, Kirchliche Wohnungen

Im Zuge der Reformation fielen die zum Thomaskloster gehörenden Gebäude nördlich der Thomaskirche an Herzog Moritz von Sachsen, der sie 1543 dem Rat der Stadt Leipzig verkaufte. Das Eckgebäude Thomasgasse / Klostergasse ließ der Herzog aber durch Georg Fachs zurückkaufen und für die Verwaltung des Amtes Leipzig umbauen. Das Amtshaus beherbergte seit dem 17. Jahrhundert das kurfürstliche Rentamt, von 1712 bis zur Einweihung eines repräsentativen Neubaus am Augustusplatzes 1839 das kurfürstliche (später königliche) Oberpostamt (in dem ab 1727 Bachs Textdichter Christian Friedrich Henrici arbeitete). Ab 1707 war im Amtshaus auch der Gottesdienstraum der evangelisch-reformierten Gemeinde untergebracht. Von Oktober 1721 bis 1751 stand der reformierten Gemeinde der zweisprachige Prediger Pierre de Coste vor, der wegen seines selbstbewusst-konzilianten Auftretens in Leipzigs Gelehrtenwelt angesehen war. In welchem Verhältnis die Familie Bach zu ihm stand, ist unbekannt. Die reformierte Gemeinde übernahm 1838 das Gebäude und weihte 1840 einen schlichten klassizistischen Predigtsaal ein, der bis zur Einweihung der repräsentativen Kirche mit Gemeinderäumen 1899 am Tröndlinring genutzt wurde.

In der Nacht vom 11. auf den 12. April 1749 brannte das Amtshaus fast vollständig aus und mit ihm ging der Großteil des Amtsarchivs unter, darunter Amtshandelsbücher und Amtshandelsrechnungen. Das wiedererrichtete Gebäude bestand bis 1902; an seiner Stelle entstand das mit Jugendstil- und neobarocken Elementen aufwendig gestaltete Warenhaus von Franz Ebert nach Plänen von August Hermann Schmidt und Arthur Johligeder.

Bildnachweis Graphik: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig / Foto März 2020: Bach-Archiv Leipzig (Dr. Markus Zepf)
 

Westlich des Amtshauses folgten an der Thomasgasse drei weitere städtische Gebäude. Im Haus Nr. 11 tagte seit dem frühen 17. Jahrhundert das Konsistorium, das aus zwei Theologen und zwei Juristen bestand und im Laufe der Jahre allmählich anwuchs. Als landesherrliche Behörde führte es die Aufsicht über die öffentlichen Gottesdienste, die Kirchenzucht und den Lebenswandel der Geistlichen, verwaltete die kirchlichen Güter, Hospitäler und Armenhäuser, war für die Einstellung von Mitarbeitern zuständig, die in der Regel von der Obrigkeit vorgeschlagen oder wenigstens bestätigt werden mussten. Darüber hinaus übte das Konsistorium die Gerichtsbarkeit über die Geistlichen und ihre Angehörigen, die kirchlichen Mitarbeiter sowie Einrichtungen wie Friedhöfe usw. aus. 1723 bestand das sächsische Konsistorium aus dem Direktor Doctor Johann Franz Born, den Assessoren Doctor Andreas Wagner, Doctor Gottfried Lange, Doctor Johann Schmidt, Doctor Salomon Friedrich Packbusch, Doctor Salomon Deyling, ferner dem Protonotar Daniel Petermann und dessen Gehilfen Ludwig Gottlob Petermann (die beide im Gebäude eine Dienstwohnung hatten); Johann Friedrich Hofmann war Aktuar und Johann Michael Steiner der Aufwärter.

Johann Sebastian Bach hatte mehrfach mit dem Konsistorium Kontakt. Zunächst musste die Behörde seine am 22. April 1723 erfolgte Wahl zum Kantor an der Thomasschule (Dok II, 130) bestätigen; Superintendent Salomon Deyling reichte am 8. Mai 1723 die Bitte um Bestätigung ein (Dok II, Nr. 134 und 135), die am 13. Mai 1723 ausgestellt wurde (Dok II, Nr. 136). In anderer Angelegenheit rief im September 1728 der Subdiakon an St. Nikolai, Gottlieb Gaudlitz, das Konsistorium in einem Streit mit dem Kantor an. Bisherigem Brauch folgend, suchte der Kantor die Gemeindelieder vor und nach der Predigt aus, was Anfang September aber in einem Vespergottesdienst Gaudlitz übernommen hatte. Es kam zum Disput mit Bach, der sich in seinem verbrieften Recht beschnitten fühlte, weshalb Gaudlitz am 7. September 1728 das Konsistorium wandte, das am nächsten Tag verlauten ließ, dass sich der Kantor in derlei Belangen künftig dem Prediger zu fügen habe (Dok II, 246). Zwei Wochen später brachte Bach die Meinungsverschiedenheit mit unbekanntem Ausgang vor den Rat der Stadt Leipzig (Dok I, Nr. 19).

Im linken Nebengebäude (Haus Nr. 12) wohnte der Thomasküster. Von 1716 bis zu seinem Tod am 16. November 1739 war dies der Theologe Johann Christoph Rost, sein Nachfolger wurde am 24. November 1739 sein bisheriger Stellvertreter Christian Köpping, der 1772 starb. Zu Beginn seiner Tätigkeit legte Rost zwei aufschlussreiche Handschriften zu liturgischen Belangen und der Geschichte der Thomaskirche an, die seine Nachfolger fortführten. Unter anderem überliefern sie wichtige Hinweise zu Aufführungen Bachscher Kantaten und Passionen sowie die Ausstattung der Thomaskirche zur Bachzeit. Im letzten Gebäude der Reihe (heute Thomaskirchhof 22) wohnte seit 1543 der Pastor der Thomaskirche, im 19. Jahrhundert der Superintendent.

Bildnachweis Aufnahme von Hermann Walter, 1880: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig / Foto März 2020: Bach-Archiv Leipzig (Dr. Markus Zepf)