Mühlhausen - Ratswechsel

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Bericht einer Stadtchronik zum Ablauf der Mühlhäuser Ratswahl zwischen 1705 und 1758, zitiert nach Reinhard Jordan, Chronik der Stadt Mühlhausen in Thüringen. Band 3: 1600–1770, Mühlhausen 1906, S. 146–147.

1705. In diesem Jahre wurde der Rathswechsel, welcher bisher den Tag nach Trium Regum [= Heilige Drei Könige, 6. Januar] geschehen war, auf den 4. Februar verlegt, da denn der Rathsaufgang mit großer Feierlichkeit in der Marienkirche geschah. Diese Feierlichkeit hörte im Jahre 1758 auf, als die aus 48 Personen bestehenden 3 Räthe in 2 verwandelt wurden.
Diese große Feierlichkeit wurde also gehalten. Es wurde den Tag vorher die Rathsgasse bis an die Kirche mit Sand bestreut. Den Tag nach Lichtmeß wurden die neuen Ratsherren gewählt, und den Tag darauf geschah der Rathsaufgang also. Es wurde des Morgens zwischen 7 und 8 Uhr mit der großen Glocke ganz allein geläutet; dann zog der Rat in Procession vom Rathhaus bis in die Kirche. Die Schützencompagnie und junge Bürgerschaft mußte auf beiden Seiten Spalier bilden. Der alte, abgehende Rath ging voran, der neue folgte, und den Schluß bildeten die Rathsdiener. Die Herren des dritten Rathes waren nicht bei dem Zuge, während dessen von 2 Musikbanden auf der Brodlaube und der Kämmerei [über dem Torbogen des Rathauses] mit Pauken und Trompeten gegeneinander musicirt wurde. Der Anfang des Gottesdienstes wurde mit dem Liede gemacht: Sei Lob und Preis etc., darauf: Herr Gott, dich loben wir etc., darauf wurde die Regenten-Predigt gehalten, und nach der Predigt war eine Musik, in welcher dem neuen Rath vocaliter und instrumentaliter Glück gewünschet wurde, welche eine ganze Stunde währte und nur das Rathsstückchen hieß. Dieselbe wurde jedesmal den Sonn-
[S. 147] tag darauf, des Nachmittags, in der Blasiikirche wiederholt. Nach dem Segen wurde gesungen: Herr Gott, du bist von Ewigkeit etc. Darauf zog der neu angehende Rath voran und stellte sich an der Kirchthür in Ordnung, wo sie denn unter freiem Himmel ihren Eid thun mußten, welchen ihnen der Syndikus, in der Thür stehend, vorlas. Darauf ging der Zug auf vorige Weise zurück, nur daß der neue Rath voranzog. Hernach wurde auf dem Rathhause ein großes Fest gegeben, zu welchem das Bäckerhandwerk einen Kuchen verehren mußte, welcher der Mahlblatz genannt wurde, auf Mühlhäusisch ein Möhlblatz. Die Leute haben dies nachgemacht und auf Heilige drei Könige auch solche Blätze gebacken, welche Gewohnheit sowie die Benennung des Möhlblatzes noch heute bestehet. Den Montag und Dienstag nach Judica mußten allezeit die Bürger Gehorsam thun, Montags das Blieden- und Jacobsviertel, Dienstags das Neuläuben- und Hauptmannsviertel. Beide Tage wurde angefangen, mit den großen Glocken zu Mariae und Divi Blasii allein zu läuten. Mit dem dritten Pulse mußten die Bürger auf dem Rathhause bei einander sein, wo dann die beiden Bürgermeister neben einander saßen, welchen die Bürger nach einander durch ein Handgelübde Gehorsam thun mußten.