Schlosskirche »Weg zur Himmelsburg«

Als Hoforganist war Johann Sebastian Bach von 1708 bis 1717 hauptsächlich an der Orgel der Schlosskirche „Weg zur Himmelsburg“ tätig. Das Gotteshaus war im südlichen Ostflügel der Wilhelmsburg untergebracht und wurde durch den Schlossbrand 1774 zerstört. Giovanni Bonalino hatte 1618 die Kirche als schmalen, längsorientierten Raum mit einer Grundfläche von 24 Metern Länge und 8,60 Metern Breite über den mittelalterlichen Fundamenten mit zwei Geschossen konzipiert; die Pläne setzte Nicol Theiner ab 1623 um. Am 28. März 1630 konnte die Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht werden.
Mit dem Ausbau des Schlosses zur „Wilhelmsburg“ ließ Herzog Wilhelm IV. durch Landbaumeister Johann Moritz Richter auch die Schlosskirche verändern und am 28. Mai 1658 als „Weg zur Himmelsburg“ neu weihen. Lutherischen Vorstellungen folgend, nahm ein Kanzelaltar die zentrale Position im etwa 16 Meter hohen Raum ein: auf den Altarstufen der Altar, umgeben von vier hölzernen Palmen, darüber die Kanzelaufsatz für die Verkündigung von Gottes Wort und über der Spitze eines mit Elementen aus Jakobs Traum verzierten Obelisken schließlich in einem separaten Gewölbe die „Capella“ genannte Musikempore mit dem Orgelgehäuse als Symbol für den Lobpreis Gottes. Über zwei umlaufende Emporen war die Schlosskirche von den angrenzenden Herrschaftsräumen zugänglich, wobei die herzogliche Familie dem Altar gegenüber in der ersten Empore den Fürstenstand nutzte. Eine um 1658 entstandene Gouache von Baumeister Johann Christian Richter hält den Zustand nach der Einweihung fest, der im Laufe der Jahrzehnte Änderungen erfuhr.

Die Musikempore in der Capella war durch eine verschließbare, circa 7 mal 5,60 Meter große Öffnung im Gewölbe mit dem Kirchenraum verbunden. Die 1657 aus der Erfurter Barfüßerkirche erworbene Orgel war nur mit einem flachen Prospekt sichtbar, denn der größter Teil des Pfeifenwerks befand sich dahinter in einem eigens auf dem Schlossdach errichteten Tonnengewölbe – Temperaturschwankungen und Witterungseinflüsse beeinträchtigten das Orgelwerk. Die zahlreichen Veränderungen der Orgeldisposition dürften ebenfalls in dieser eigenwilligen Aufstellung ihre Ursache haben. Zu Beginn von Bachs Dienstzeit hatte Johann Conrad Weishaupt aus Gotha einen Umbau abgeschlossen. Der in Weimar seit 1709 tätige Orgelmacher Heinrich Nikolaus Trebs vergrößerte 1712 die Disposition, vermutlich im Zusammenwirken mit Bach. Die große Last des Orgelwerks beeinträchtigte immer wieder die Statik der Empore, weshalb die von Bach gespielte Orgel 1756 abgebaut und nach einer Sanierung der Empore eine kleinere Orgel errichtet wurde, die am 6. Mai 1774 verbrannte.
Bach und Trebs pflegten offenbar freundschaftliche Kontakte. Gemeinsam mit dem Stadtorganisten Johann Gottfried Walther stand Bach am 27. November 1713 Pate bei der Taufe von Johann Gottfried Trebs (Dok II, Nr. 61).

Für die Orgel der Weimarer Schlosskirche schuf Bach zwischen 1708 und 1717 die meisten seiner erhaltenen Orgelwerke. Mit seiner am 2. März 1714 datierten Ernennung zum Konzertmeister am Hofe Herzog Wilhelm Ernsts war zudem festgeschrieben, dass er „Monatlich neüe Stücke“ liefern musste. Auf sein Verlangen hatten die Hofmusiker zu den Proben zu erscheinen und Hofsekretär Theodor Benedikt Bormann ergänzte: „Das probiren der Musicalischen Stücke im Hause oder eigenem Logiament, ist d. 23 Mart. 1714. geendert, v. [= und] das es jedesmahl uf der Kirchen-Capelle geschehen solle, expresse befohlen worden.“ (Dok II, 66) Ein Inventar der Musikempore nennt ein zusätzliches Orgelpositiv mit (einer 1712 durch Orgelbauer Trebs erneuerten) Bank, dazu ein Cembalo, Tisch, Schrank für die Musikinstrumente sowie 14 Lehnstühle. Notenpulte waren vermutlich (wie damals üblich) an der Emporenbrüstung befestigt.

Bildnachweis:
Fotos - Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Juni 2019)
Gouache - Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek Weimar