Schellhafers Haus
In Nachbarschaft zum kurfürstlichen Amtshaus befand sich in der Klostergasse 9 ein Wohn- und Brauhaus, das seit 1499 zum Thomaskloster gehörte. Spätestens 1717 entstand hier ein repräsentatives viergeschossiges modernes Wohnhaus mit Mansardgeschoss und Dreiecksgiebel. 1720–1722 gehörte das Wohnhaus dem Weinhändler Johann Schellhafer, der hier eine Weinschänke betrieb. Das Hintergebäude von „Schellhafers Haus“ maß 20 m auf 8 m Grundfläche und verfügte im dritten Obergeschoss über einen geräumigen Saal, der nach dem damaligen Pächter Johann Georg Artopäus von 1739–1751 „Artopäischer Großer Saal“ hieß. An einer Stirnseite des Saals waren Öfen, gegenüber „ein Musicanten-Chor“ angebracht. In diesem Raum musizierte regelmäßige das vom Thomas- und Universitätsorganisten Johann Gottlieb Görner 1723–1756 geleitete studentische Collegium Musicum, außerdem nutzten Leipziger Familien den Saal für Hochzeiten. 1767–1909 war Schellhafers Haus das „Hôtel de Saxe“, das 1968 wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde. Der 1978 fertiggestellte Nachfolgebau enthält als Reminiszenz ein barocken Formen nachempfundenes Portal aus Rochlitzer Porphyr.
Bildnachweis: Bach-Archiv Leipzig (Fotografien: Dr. Markus Zepf, März 2020)
Im großen Saal von „Schellhafers Haus“ führte Johann Sebastian Bach mit Alumnen der Thomasschule und vermutlich studentischen Musikern mindestens drei Hochzeitsmusiken nach Texten Christian Friedrich Henricis auf. Am 5. Februar 1728 erklang – laut Kirchenbuch zur Mittagsstunde – die teilweise erhaltene Kantate Vergnügte Pleißen-Stadt BWV 216.1 zur Eheschließung des verwitweten Leipziger Kaufmanns Johann Heinrich Wolff (1690–1759) mit Susanna Regina Hemel (1708–1779) aus Zittau, Tochter eines königlich polnischen und kurfürstlich sächsischen Steuereinnehmers. In welcher Beziehung das zunächst im Thomasgässchen, später in der Reichsstraße wohnende Brautpaar zum Thomaskantor und Städtischen Musikdirektor Bach oder seinem Textdichter stand, ist unklar.
Am 18. Januar 1729 erklang Bachs im Textdruck erhaltene Kantate Der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harret BWV 1145 [früher: BWV Anh. I 211] zur Haustrauung des Juristen und Universitätsprofessors Johann Friedrich Höckner mit Jacobina Agnetha Bartholomäus, Tochter des Dresdner Hofmediziners Jacob Bartholomaei. Am 26. Juli 1729 schließlich führten Bach und seine Musiker die Hochzeitskantate Vergnügende Flammen, verdoppelt die Macht BWV 1146 [früher: BWV Anh. I 212] zur Trauung des verwitweten Kaufmanns Christoph Georg Winckler (1690–1748) mit Caroline Wilhelmine Jöcher (um 1710–1749), Tochter eines Leipziger Handelsmanns auf.