Das Parodieverfahren bot Bach die Möglichkeit, die Noten mancher großbesetzter Gelegenheitsmusik in einen beständigeren Kontext zu überführen. Etwa, wenn er sie mit einem neuen Text versah, der auf einen regemäßig wiederkehrenden Anlass im Kirchenjahr zugeschnitten war. Genau dies geschah im Vorfeld des Weihnachtsfestes 1734. Bach nahm sich die Arien und Chöre aus drei prachtvollen Huldigungsmusiken und ließ formal identische Verse erstellen, die das Wunder der Geburt Jesu Christi reflektieren. Dazwischen erzählte er in Rezitativen die Weihnachtsgeschichte nach Lukas und Matthäus und garnierte das Ganze mit bekannten Weihnachtschorälen. Heraus kam ein sechsteiliges Oratorium, das an den sechs Sonn- und Feiertagen zwischen Weihnachten und Epiphanias in den Leipziger Hauptkirchen uraufgeführt wurde – und zugleich ein Stück Musik, das heute für viele wie der Tannenbaum zum Weihnachtsfest gehört.
Michael Maul taucht im 24. Teil seiner Sendereihe "Universum JSB" in die Entstehungsgeschichte von Bachs Weihnachts-Oratorium ein und wird uns zugleich deutlich machen, was wir über die uns so vertraut erscheinenden Klänge alles noch nicht wissen.