1705, 5.–21. August (Arnstadt): Streitigkeiten mit Geyersbach

Zum Kalendarium

VERHÖRPROTOKOLLE

Actum den 5 Augustj 1705.

 

Erscheinet Johann Sebastian Bach Organist in der Neüen Kirchen alhier, mit Vorbringen wie Er gestern abends etwas späte in der Nacht vom Schloße aus, nacher Hause gangen und ufm Marck kommen, hetten 6. Schüler ufm Langensteine geseßen, alß er nun dem Rathhause gleich kommen, were ein Schüler Geyersbach hinter ihm her und mit einem Brügel uf ihn loß gangen, mit diesen Formalien; Worumb er ihn geschimpfet hette? Er geantwortet, er hette ihn gar nicht geschimpfet, und könte es ihm auch niemand beweisen, maßen er ganz stille gangen; daruf Geyersbach gesagt, ob er gleich ihn nicht geschimpfet hette, so hette er doch seinen Fagott einsmahls geschimpfet, v. wer seine Sachen schimpfte, der schimpfte auch ihn, und hette es geredet wie ein Hunds etc. etc. und zugleich uf ihn loß geschlagen, weiln er nun sich deßen nicht versehen, so| hette er nach seinem Degen greiffen wollen, es were aber Geyersbach ihm in die Arme gefallen, und sich mit ihm herumb gezerret, da denn die übrigen Schüler, so bey ihm vorher geseßen, alß Schüttwürfel, Hoffmann, die übrigen würden diese benennen, darzu geloffen; und endlich mit abgewehret, daß er nacher Hause gehen können; und hette er Geyersbachen in faciem gesagt, morgen wolte er solches schon ausmachen, mit ihm zu schlagen stünde ihm nicht an, hielte es auch vor keine Ehre. Nachdem nun ihm solches zu Ieiden nicht gebührete, auch er uf diese maße uf der Straßen nicht sicher gehen könte, Alß bäte er unterthänigst gedachten Geyersbachen zu verdiente straffe zu ziehen, und ihme deswegen genügliche | Satisfaction thun zu laßen, auch selbigen v. anderen zu imponiren, daß sie ihn führo hin ohngeschimpfet und geschlagen passiren laßen müßen.

CZA

    citentur ad Consistoriam |

 

Actum den 14. August 1705

 

Wird dem Schühler Geyersbachen was der Organist Bach wieder ihn geclaget vorgeleßen
    Ille

Negat deß er klagenden Bachen vorgepaßet, sondern alß von dem Schuster Jahnen er zu seines Kindes Tauffmahl gebethen worden, vnd sie abends mit denen Gevatterinnen ein ständgen gemachet sey Bach mit der TabacksPfeiffe im munde über die straße gangen kommen, darauf Geyersbach selbigen gefraget, Ob ers geständig Ihn einen Zippel Fagottisten geheißen zu haben, da er nun solches nicht läugnen können, hätte Er Bach den Degen alßbald gezogen, dagegen Er Geyersbach sich ja wehren müßen, würde sonst ihm einen schaden gethan haben.
Negat daß er Bachen anbrachter maßen geschimpfet, könne aber wohl seyn daß wenn Bach mit den Degen über ihn hergewolt er auf selbigen geschlagen haben möchte.

    Bach

Bleibet dabey daß Geyersbach ihn zu erst geschimpfet vnd geschlagen wodurch er genöthiget worden nach dem Degen zu greiffen, weilen er sonst nichts gehabt womit er sich defendiren können.

    Geyersbach

Weiß sich nicht zu entsinnen, Bachen geschimpfet zu haben |

    Hoffmann prœmonitus de dicenda veritatem.

Er wiße nicht wie die Beyden aneinander gerathen, sondern alß er gesehen daß Geyersbach in Bachs Degen gegriffen, Bach aber solchen bey den Gefäß selbigen noch gehalten, auch unter dießen ringen Geyersbach gefallen, sey er weil bey solchem fallen leicht ein Unglück entstehen vnd Geyersbach in Degen fallen können sey er zwischen Beyde gangen vnd von einander abzulaßen vnd nach Hauß zu gehen, zugeredet. Worauf auch Geyersbach den Degen welchen er mit 2 Händen gehalten fahren laßen, vnd mit dießen Worthen weggegangen, Er habe sich eines Beßeren gegen Bachen versehen gehabt, verspühre aber anizo ein anders, worauff Bach repliciret, er wolle es schon weiters suchen.

    Schüttwürfel

Er sey auß irrthumb pro teste angegeben, dann er gar nicht dabey sondern zu Hauße geweßen

    Res.

Sollen mitwochs nechstkünfftig sich wieder melden. |

 

Actum den 19. August. 1705

 

Wird dem Organist Bachen angezeiget, daß weiln der Schühler Geyersbach in lezter Verhör den anfang zu der schlägerey gemachet zu haben läugnete, vnd vorgäbe daß Bach den Degen zu erst gezogen, als würde ihme obliegen zu erweißen, daß ermeldter Schühler zu erst anlaß gegeben.

    Ille

Könne es mit seiner Baßen der Bachin beweißen, wann nur sonsten dero Zeugnuß alß einer Weibesperson sufficient erkannt würde.

    Nos

Er hätte sonst wohl es unterwegen laßen könen, daß er Geyersbachen einen Zippel fagotisten geheißen, auß dergleichen Scommatibus kähmen nachmahls dergleichen Verdrießlichkeiten, dazumahlen er ohne dem in dem ruff daß mit denen Schühlern er sich nicht vertrüge vnd vorgebe, er sey nur auff Choral nicht aber musicalische stücke bestellet, welches doch falsch, denn er müste alles mit musiciren helffen.

    Ille

Er weigere sich nicht, wann nur ein Director musices da wehre.

   Nos

Mann lebe mit imperfectis vnd müste er sich mit denen Schühlern vergleichen auch eines dem andern das leben nicht sauer machen.

   Res.

Citetur die Baße, vnd sollen dann beyde nechsten freytag wieder sich melden. |

 

Actum den 21. Aug: 1705

 

    Barbara Catharina Bachin

Meldet uf vorgängige Verwahrnung die Wahrheit zu sagen, wie vor einigen tagen, als sie mit ihrem Vetter von dem Herrn Küchenschreiber des abends kommen, und übern Mark gehen wollen, einige Schüler so von einer Kindtauff kommen, ufn langen steine geseßen, Geirsbach sie sehend sogleich aufgestanden und Bachen unter die augen getreten, sagend, warumb er seinen Fagott geschimpffet hätte und wer seine sachen schimpffte der schimpffte ihn, und daß thäte ein Hundes etc:, druf Geirsbach | Bachen ins gesicht geschlagen, Bach aber den Degen gezogen, ihm aber nichts darmit gethan, druf sie ein wenig mit einander gestrauchelt und Geirsbach einen stecken fallen laßen, die andern schüler umb ihn herum getreten referentin aber Bachen an der Hand genomen und ihn mit fort zu gehen errinnert, und so sie ja etwas mit einander zu thun so würde sichs wohl geben gesagt, auch habe Bach keine tabackspfeiffe im munde gehabt, soviel ihr wißend.

    Eod

Wird dem Schühler Geyersbachen auß obstehender abhörung der Bachin Vorhalt gethan, daß aus selbiger so viel zu befinden, daß er den anfang zu dem passirten gemachet da Er Bachen nicht nur zuerst angere|det, sondern auch zuerst loßgeschlagen.

    Ille

Gestehet daß er außgeschlagen Bach aber habe ihn mit den Degen gestoßen, vnd währen in seinem Camisol noch die Löcher von den stichen zu ersehen.

   Nos

Wann er Bachen zu besprechen gehabt, hätte ers beßer durch andere verrichten laßen können, vnd solches nicht selber auf öffentlicher straße thun sollen.

   Res.

Weilen von denen Herren Geistlichen niemand zugegen alß möchten beyde vor dießesmahl hingehen, es solle ihnen wann ein Bescheid abgefaßet, schon bedeuthung gesehehen.

 

Quelle: Bach-Dokumente, Band 2, Nr. 14