Michaelisschule

Der junge Johann Sebastian Bach besuchte von April 1700 bis vermutlich Ostern 1702 die Michaelisschule. Da nur für die ersten Wochen sich Unterlagen erhalten haben, herrscht über sein Ausscheiden aus der Lateinschule bislang Unklarheit. Da er 1700 einen Freitisch für zwei Jahre erhalten hatte, dürfte mit dessen Ende auch sein Schulbesuch beendet gewesen sein.

Die Michaelisschule zu Lüneburg war dem Michaeliskloster angeschlossen und die älteste Schule der Stadt. Blieb die „schola interna“ dem adligen Nachwuchs vorbehalten, so war die 1353 erstmals erwähnte „schola externa“ nach Hannoveraner Vorbild allgemein zugänglich. Mit Einführung der Reformation in Lüneburg 1532 vollzog sich zwar formal der Wechsel zum lutherischen Bekenntnis, doch der erste lutherische Abt widersetzte sich erfolgreich den Säkularisierungswünschen seines Landesherrn. Die Konventualen behielten ihre Ordenstracht und erst 1548 erfolgte die Umwandlung in ein evangelisches Männerstift, wobei noch Mitte des 17. Jahrhunderts Ehelosigkeit, klösterliche Tischgemeinschaft sowie die bisherigen Metten und Vespergottesdienste Bestand hatten.

Die Lüneburger Patrizier wünschten nach dem Dreißigjährigen Krieg eine Ausbildungsstätte für ihren Nachwuchs, weshalb Herzog Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg 1655 die bisherige innere Klosterschule in eine Ritterakademie umwandelte. Bis zu ihrer Auflösung 1850 vermittelte sie den adligen Zöglingen neben regulärem Unterricht auch standesgemäße Übungen im Reiten, Fechten, Tanzen, Sprachen usw. Als dritte Lehreinrichtung bestand 1660–1686 ein Gymnasium academicum, das für Bachs Aufenthalt aber keine Rolle mehr spielte. Ritterakademie und Lateinschule verloren in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts allmählich an Bedeutung, 1819 erfolgte ihr Zusammenschluss.

Johann Sebastian Bach und Georg Erdmann besuchten das 1563 südöstlich an der Michaeliskirche, an einer ausgeprägten Hanglage, entstandene Schulgebäude. Zur Straße befanden sich die Eingänge zu drei Kleinstwohnungen sowie einem Holzlager im Erdgeschoss, während zum Michaeliskirchhof die Schulräume des ersten Obergeschosses beinahe ebenerdig lagen. Der Eingang befand sich beinahe ebenerdig im Westgiebel und führte zunächst in die Räume der unteren Klassen sowie – in der Nord-Ost-Ecke – zum Karzer. Im Eingangsbereich führte eine Treppe zu den Klassenräumen der oberen Klassen im zweiten Obergeschoss, in denen vermutlich auch theatralische Aufführungen stattfanden. Beide Stockwerke verfügten über größere, unbeheizte Räume für die warmen Monate sowie kleinere, beheizbare Räume für die sogenannte Winterschule.

Wo Bach und Erdmann während ihres Lüneburger Schulaufenthaltes wohnten, ist unbekannt. Anders als Johann Sebastian Bach widmete sich Georg Erdmann der Jurisprudenz. Er trat 1713 in kaiserlich russische Dienste und wirkte ab 1718 als russischer diplomatischer Vertreter in Danzig, wo er am 11./12. Oktober 1736 verstarb. Am 28. Juli 1726 eruierte Bach in einem Brief Möglichkeiten einer Anstellung in Danzig, die er vier Jahre später in Erinnerung brachte.

Bildnachweis: Bach-Archiv Leipzig