1777 oder später (Leipzig): Bach als Kantor der Thomasschule, Leben, Werk und Bedeutung sowie das Verhältnis zu Johann August Ernesti

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Cant. Thoman:

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Cant: Joh. Sebastian Bach, anfangs Hochfürstlich Anhalt Köthenischer Kapelmeister, kam 1723 an Kuhnaus Stelle als Director der Musik, war auch zugleich Herzoglich Weisenfels. Kapelmeister.

Edid:      1.) Clavirübung, bestehend in einer Arie mit verschiednen Veränderungen vors Clavicymbel, Nürnberg 4.

                2.) Clavierübung, bestehend in Präludien, Allemanden etc. Fol.

                3.) Einige kanonische Veränderungen über das Weihnachtslied: Vom Himmel hoch etc. vor die Orgel 4.

Nat. 1685. erst Hoforganist in Weimar, starb 1750. d. 30. Jul. war von 1738 ein Mitglied, der Societät der musikal. Wißenschaften, die der bekannte M. Lorenz Mizler in diesem Jahre zu Leipzig errichtete, trug viel zur Verbesserung der Musik, besonders des Kirchengesanges bey, erfand ein Instrument das er Viola pomposa nante, das bey dem Violinsolospielen gebraucht werden solte. Es ist das Mittel zwischen Violine und Violoncell.

                4.) Vierstimmige Choralgesänge gesamlet von Carl Phil. Eman. Bach, I. Th. Berl. 1765. quf. Algem. d. Bibl. 3. B. 2 St. S. 285. IV. 1788.

Bach, geb. zu Eisenach 1685. 21. Mart. 1707 Organist in Mühlhausen 1708. Hoforganist in Weimar 1714. Concertmeister daselbst 1718. Anhalt Coethen. Kapellmeister 1723. Cant. Thom. auch 1735 K. Poln. Hofcompositeur 1724. ... auch Sachs. Weißenfels. Capellmeiser † 1750. 28 Jul. œt. 66. S. S. Leben in Mitzlers musikal. Bibliothek, B. IV. I Th. n. 6. wurde Mitglied der musikal. Wissenschaften in Deutschland, Vierstimmige Choralgesänge 2 Theile Leipzig bei Breitkopf 1784. 85. S. Allg. Deutsche Bibl. B. 64. S. 458.
Seine nachgelassenen Klavierstücke und grösern Kirchenmusiken kamen in die Hände seines Sohnes, des berühmten Hamburg. Kapellmeisters, und wurden nach dessen Tode zerstreut (siehe Verzeichniß des musikal. Nachlasses des verstorbenen Kapellmeisters C. P. E. Bachs. Halle bei Gebauer 1790. 8.
Jo. Sebast. Bach. Er war der gröste Tonkünstler s. Zeiten, und übertraf noch Hendeln, so sehr ihn auch die Engländer vergöttern. Er war der gröste aller Orgelspieler und seine Art dieses Instrument zu spielen übertraf die Erwartung aller, selbst Kenner staunten und fühlten ihre Schwächen, wenn sich der Meister aller Orgelspieler hören lies. Niemand hat die Kunst so ganz von ihm geerbt, als sein ältester Sohn Wilh. Fridemann, und der emalige Altenburg. Organist Krebs, den er selbst unter seine besten Schüler zälte. – Mit Händeln hat er immer gewetteifert. beyde waren 1685 geboren, fingen zugleicher Zeit an 17 etliche 20. sich durch gedruckte Kompositionen fürs Klavier Ruhm zu erwerben. Bach blieb immer mehr Original (zeichnete sich... mehr durch Leben, Reichtum Mannigfaltigkeit und gefällige Melodie [aus]) als Hendel, der die Franzosen nachahmte. Er machte Fugen nicht nur von 4 Stimmen, die alle gehörig durchgeführt sind, er wagte auch fünfstimmige durch alle 24 Tonarten. Ja man hat auch eine Fuge von ihm auf 6 Stimmen.
Er war fürwahr Schöpfer einer ganz neuen Behandlungsart des Clavires, und setzte die kunstvollsten Stücke für dieses Instrument in zahlloser Menge. – Seine Stücke für die Orgel übertreffen alles was bisher für dieses Instrument gesetzt worden ist. Er ........ für beide Manuale, wobey die linke Hand, eben so fertig als die rechte spielen muste, und das Pedal behandelte er als eine eigne Stimme für sich, auf dem sogar zuweilen 2 obligate Stimmen vorkommen. Außer andern von ihm gesezten und variirten Choralen, Vorspielen, Trios, sind 6. dergleichen für die Orgel von ihm übrig, für 2 Manuale und das Pedal, die so schön, so neu, erfindungsreich sind, daß sie nie veralten sondern alle Moderevolutionen in der Musik überleben werden.
Er machte sich als den ersten und fertigsten aller Orgelspieler und Komponisten für dieses Instrument berühmt, und brachte dieses Instrument, nach dem Zeugnis aller Kenner, zur grösten Vollkommenheit. Die grösten Künstler Hasse, Quanz etc. hörten ihn etliche 30. vor dem Hofe zu Dresden auf der Orgel spielen und gestanden, nie so etwas gehört zu haben. Er führte die schwersten Stücke aus dem Stegreife auf Pedal und Manual sehr glücklich aus. Händel vermied iede Gelegenheit sich mit Bach in ein ......... einzulassen. Bach wünschte ihn, als er aus England 2 mal nach Halle kam zu sehen, aber er machte sich zeitig davon. – Der berühmte französ. Orgelspieler Marchand kam nach Dresden, um mit Bach auf der Orgel zu wetteifern. Der König erwartete ihn mit einer glänzenden zahlreichen Gesellschaft beym Marschall Grafen von Flemming. Aber der Gegner floh mit Extrapost in sein Vaterland zurück, und lies eine besoldung von etlichen 1000. rthll. im Stiche. S. Vergleich Hendels mit Bach, in A. d. B. B 81. S. 295.–303.
Bach kam im Mai 1747. nach Potsdam, um die Königliche Kapelle zu hören Der König Friedrich II. gab ihm ein Thema auf, welches er in einer Fuge ausführen sollte. Dies geschah zur allgemeinen Bewunderung. Dreyhaupt. Beschreibung des Saalkreises I S. 586.
Er lief in seiner Jugend beinahe 50 Meilen zu fuße, um den berühmten Lübeck. Organisten Buxtehude zu hören.
Mit Ernesti zerfiel er ganz. Die Veranlassung war diese: Ernesti entsetzte den Generalpräfecten Krause, der einen unteren schüler zu nachdrücklich gezüchtigt hatte, verwies ihn, da er entwichen war, von der schule, und wählte an dessen stelle einen andern schüler zum Generalpräfect, – ein Recht, das eigentlich dem Cantor zukommt, dessen Stelle der Generalpräfect vertreten muß. Weil das gewählte Subject zur Aufführung der Kirchenmusik untauglich war, traf Bach eine andere Wahl. Daraufhin kam es zwischen Bach und Ernesti zur Klage, und beide wurden seit der Zeit Feinde. Bach fing nun an die Schüler zu hassen, die sich ganz auf Humaniora legten und die Musik nur als Nebenwerk trieben und Ernesti ward Feind der Musik. Traf er einen Schüler, der sich auf einem Instrumente übte, so hieß es: Wolt ihr auch ein Bierfiedler werden? – Er brachte es durch sein Ansehen bey dem Bürgermeister Stiegliz dahin, daß ihm (wie seinem Vorgänger Gesner) die besondere Schulinspection erlassen und dem vierten Collegen übertragen wurde. Traf nun die Reihe der Inspection den Cantor Bach, so berief sich dieser auf Ernesti, kam weder zu Tische noch zu Gebet, und diese Vernachlässigung hatte den widrigsten Einfluß auf die sittliche Bildung der Schüler.
Seit der Zeit hat man, auch bey wiederholter Besetzung beyder Stellen, wenig Harmonie zwischen Rector und Cantor bemerkt.
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Für seinen besten Schüler hielt er den Musikdirector Krebs in Altenburg. Von ihm pflegte er zu sagen: Das ist der einzige Krebs in meinem Bache. vid. Reichards musikal. Almanach auf 1796.
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bey allen seinen musikal. Kunststücken .......... seine Bescheidenheit. Als einer seine bewundernswürdige Fertigkeit auf der Orgel mit vielen Lobsprüchen erhob, sagte er ganz gelassen: „Das ist eben nichts bewundernswürdiges, man darf nur die rechten Tasten zu rechter Zeit treffen, so spielt das Instrument selbst.“

 

Quelle: Bach-Dokumente, Band 3, Nr. 820