Mit dem Wohnhaus Markt 16 ist erstmals eine Wohnung von Johann Sebastian Bach und seiner Familie belegt – für seine Aufenthalte in Eisenach, Lüneburg, Arnstadt, Mühlhausen und später auch Köthen sind die Wohnungen unbekannt. Das aus dem 16. Jahrhundert stammende Gebäude gegenüber dem Roten Schloss lag an der Süd-Ost-Ecke des Marktplatzes. Als sogenanntes Freihaus war es mit Ausnahme der Landes- und Türkensteuer von Abgaben befreit. Das Vorderhaus verfügte über zwei Stockwerke, ferner Nebengebäude im Hinterhof sowie einen kleinen Garten. 1701 erwarb der Hofmusiker Johann Paul von Westhoff das Haus. Zwischen 1674 und 1698 war er Violinist und Informator der sächsischen Prinzen am Dresdner Hof und stand dort wegen seiner hohen Kunstfertigkeit in hohem Ansehen. Verschiedentlich wurden Spekulationen angestellt, dass Johann Sebastian Bach während seiner ersten Weimarer Anstellung als „musikalischer Lakai“ 1703 bei Paul von Westhoff wohnte und dieser ihm sogar eine seiner Violinen schenkte. Bislang sind aber keinerlei verlässliche Quellen dazu bekannt geworden.

Johann Paul von Westhoff wurde am 17. April 1705 in Weimar begraben, das Freihaus Markt 16 erwarb der Pagenhofmeister und Hofmusiker Adam Immanuel Weldig. Der ehemalige Leipziger Thomasschüler war 1697 als Falsettist und Pagenhofmeister an den Hof des Herzogs Wilhelms Ernst gekommen und hatte am 18. August 1698 das Weimarer Bürgerrecht erworben. Im Frühjahr 1709 sollte eine Reform der Haussteuern helfen, den stark angestiegenen Schuldenstand zu verringern. So entstand im März eine Liste von Bewohnern der Freihäuser, die im Gebäude Markt 16 Hofmeister Weldig „benebst seiner Familie, und 2. Mägden“ sowie den „Organist[en]: Johann Sebastian Bach, nebst seiner Liebsten, und ihrer Schwester“ (vermutlich die am 28. Juli 1729 in Leipzig verstorbene Friedelena Margaretha Bach) nennt (Dok II, Nr. 45). Weldig wechselte im Sommer 1713 an den herzoglichen Hof nach Sachsen-Weißenfels und verkaufte am 22. August das Freihaus an Oberhofmeister von Benckendorff, der es für den unmündigen Prinzen Johann Ernst von Sachsen-Weimar erwarb. Der musikalisch begabte Prinz war sowohl Schüler von Johann Sebastian Bach als auch von Stadtorganist Johann Gottfried Walther. Er starb am 1. August 1715 in Frankfurt am Main, das Freihaus erbte seine Mutter, Herzogin Charlotte Dorothea Sophia. Wie lange die Familie Bach hier wohnte, ist unbekannt.

 

Maria Barbara und Johann Sebastian Bach wurden in Weimar sechs Kinder geboren, von denen mit einiger Sicherheit Catharina Dorothea (getauft am 29. Dezember 1708), Wilhelm Friedemann (geboren am 22. September 1710) sowie die Zwillinge Maria Sophia und Johann Christoph (geboren am 23. Februar 1713 und kurze Zeit darauf gestorben) im Markt 16 zur Welt kamen. In welchem Gebäude die beiden jüngsten Weimarer Kinder Carl Philipp Emanuel (geboren am 8. März 1714) und Johann Bernhard Bach (geboren am 11. Mai 1715) zur Welt kamen, ist unbekannt. Unter den Paten des am 10. März 1714 getauften Carl Philipp Emanuel Bach verzeichnet das Weimarer Kirchenbuch an erster Stelle Adam Immanuel Weldig, „itzo F[ürstlich] S.[achsen] Weißenfelßischer Pagen Hoffmeister u Cammer Musicus“ (Dok II, Nr. 67). Wenige Tage später, am 22. März 1714, ist Bach als Pate in Abwesenheit bei der Taufe von Weldigs Sohn Johann Friedrich Immanuel in Weißenfels eingetragen (Dok II, Nr. 68).

Das Wohnhaus Markt 16 wurde im Lauf der Jahrzehnte mehrfach verändert, im 19. Jahrhundert mit dem östlichen Nebengebäude vereinigt und mit diesem im Zweiten Weltkrieg bis auf die Kellergewölbe zerstört. Eine in den 1950er Jahren enstandene Blendmauer verdeckt heute den Parkplatz des benachbarten Hotels. Anstelle des westlichen Nachbargebäudes erinnert in einem rekonstruierten Portal ein 1757 datierter Schlussstein mit Posthorn an die hier untergebrachte Posthalterei. Rechts daneben hält eine inhaltlich nicht in allen Teilen zutreffende Gedenktafel die Erinnerung an die Familie Bach wach, die (abweichend von der Inschrift) das östlich (links) gelegene Wohnhaus bewohnte.

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Juni 2019)