1736, 13. August (Leipzig): Eingabe an den Rat der Stadt Leipzig
Zum KalendariumMagnifici
HochEdelgebohrne, HochEdle, Veste und
Hochgelahrte, auch Hochweise
Hochgeehrteste Herren und Patroni.
Ohnerachtet albereits gestrigen Tages Eu: Magnificentz und HochEdelgebohrnen Herrligkeiten mit einem gehorsamsten Memorial wegen der mir zur höchsten Ungebühr von dem Herrn Rectore Ernesti in meiner mir bey hiesiger Thomas-Schule aufgetragenen function der Direction des Chori Musici und Cantoris unternommenen Eingriffe in Ersetzung des Prœfecti behelliget, und um hochgeneigten Schutz gehorsamst gebethen; So finde mich doch genöthiget Eu: Magnificentz und HochEdelgebohrnen Herrligkeiten nochmahlen dienstschuldigst vorzutragen, daß, ob zwar nur gedachtem Herrn Rectori Ernesti gemeldet, daß dieserhalben bereits bey Denenselben meine Beschwerden | übergeben, und in dieser Sache Eu: Magnificentz und HochEdelgebohrnen Herrligkeiten kräfftigen Ausspruch erwarte, er dem ohngeachtet mit Hintansetzung des dem HochEdlen und Hochweisen Rathe schuldigsten Respects sich gestrigen Tages von neüen unterstanden allen Alumnis, bei Straffe der relegation und castigation andeüten zu laßen, daß sich keiner unterstehen solte statt des in meinem gestrigen gehorsamsten Memorial berührten zur Direction eines Chori Musici untüchtigen Krausen, (welchen er mir zum Prœfecto des ersteren Chores mit Gewalt aufzwingen will,) weder abzusingen noch die gewöhnliche Motette zu dirigiren, dahero es denn kommen, daß in gestriger Nachmittags Predigt zu S. Nicolai zu meinem grösten despect und prostitution kein einiger Schüler aus Furcht der Straffe das Absingen über sich nehmen, noch weniger die Mottette dirigiren wollen; ja es würden die sacra gar dadurch seyn gestöret worden, daferne nicht zu gutem Glücke ein ehmahliger Thomaner, Nahmens Krebs solches statt eines Alumni auf mein | Bitten über sich genommen hätte. Gleichwie nun aber, wie in vorigem übergebenen gehorsamsten Memorial sattsam an und ausgeführet dem Herrn Rectori die Ersetzung derer Prœfectorum der Schulverfaßung und Herkommens gemäß nicht zustehet, auch er hierdurch in modo procedendi gar sehr sich vergangen, mich in meinem Ambte zum höchsten gekräncket, alle autorität, so doch über die Schüler wegen derer zu besorgenden Kirchen und andern Musiquen haben muß, und von E: HochEdlen und Hochweisen Rath bey Antretung meines officii mir übergeben worden, zu schwächen, ja, gar abzuschneiden gesucht, und daher zu besorgen, daß bey dergleichen fortwährenden unverantwortlichen Unternehmen die sacra möchten gestöhret und die Kirchen Musiquen in grösten Verfall kommen, auch das Alumneum in weniger Frist dermaßen deterioriret werden dörffte, daß es in vielen Jahren nicht wieder in solchen Stande zu setzen, als es bißhero gewesen; Als ergehet an Eu: | Magnificentz und HochEdelgebohrne Herrligkeiten mein nochmahliges gantz gehorsamstes und flehendes Bitten, da vi officii darzu nicht stille schweigen kan, dem Herrn Rectori das fördersamste, weiln periculum in mora, dahin zu weisen, daß er in meinem Ambte mich forthin nicht turbire, die alumnos gegen mich an ihrer obedience durch sein ungerechtes Abmahnen und Androhen einer so harten Straffe nicht ferner mehr hindere, sondern viel mehr dahin sehe, daß (wie ihme so oblieget) die Schule und der Chorus musicus mehr verbeßert als verschlimmert werde. Versehe mich hochgeneigter deferirung und protection in meinem officio, mit gehorsamsten respect verharrend
Eu: Magnificentz
und
HochEdelgebohrnen Herrligkeiten
Leipzig. den 13. August. gantz gehorsamer
1736.
Johann Sebastian Bach.
Denen Magnificis, HochEdelgebohr-
nen, HochEdlen, Vesten und Hochgelahr-
ten auch Hochweisen Herren, Herrn
BürgerMeister und Beysitzern
des Wohllöblichen Stadt-Regiments
der Stadt Leipzig.
Meinen Hochgeehrtesten Herren und
Patronen.
Quelle: Bach-Dokumente, Band 1, Nr. 33