Georgenkirche

Den Marktplatz im Herzen der Stadt Eisenach begrenzt im Süden die Georgenkirche. Die dreischiffige Hallenkirche wurde angeblich 1181 von Landgraf Ludwig III. in Auftrag gegeben und dem Heiligen Georg, dem Stadtpatron, geweiht. Der Überlieferung zufolge wurden hier 1221 Landgraf Ludwig IV. und die ungarische Königstochter Elisabeth (Heilige Elisabeth von Thüringen) getraut. Teile der Kirche scheinen 1515 wegen Baufälligkeit abgebrochen und neu errichtet worden zu sein. Aus dieser Zeit stammt wohl der Taufstein. In der Georgenkirche predigte während der Reformation Martin Luther, der einst in Eisenach die Lateinschule besucht und bei der Familie Cotta Unterkunft gefunden hatte.

Im sogenannten Pfaffensturm 1525 erlitt die Georgenkirche starke Schäden, die erst ab 1558 behoben wurden. Nord- und Südseite des Langhauses erhielten 1560 zwei Emporen nach Plänen von Hans Leonhard. Die Balustrade der unteren steinernen Empore mit ihrem Kreuzgratgewölbe zieren Prophetenbildnisse und rahmende Bibelsprüche, darüber erhebt sich eine hölzerne Empore. 1672 kam eine dritte, mit Bogenfeldern zum Mittelschiff abschließende Empore hinzu. Eine 1717 zugefügte vierte Empore wurde 1898 wieder entfernt. Die turmlose Kirche wurde 1561 als Predigtkirche eingeweiht. Das Gotteshaus war im Norden von der Kanzlei und einem Wachhaus begrenzt, an der Südseite entstand 1562 ein gedeckter Gang zum alten Stadtschloss, denn zwischen 1672 und 1741 diente die Stadtkirche St. Georgen zugleich als Schlosskirche.

An den Wänden des Chorraums sind heute zahlreiche Grabstein der Thüringer Landgrafen aus dem 12. und 13. Jahrhundert aufgestellt. Im Zentrum steht der etwa 1500 geschaffene Kreuzaltar mit seiner ausdrucksstarken Figurengruppe. Die Nordwand des Chorraums zieren zwei Monumentalgemälde. Einmal ein 1618 zur Erinnerung an die Reformation entstandenes allegorisches Gemälde, das die Kurfürsten Friedrich den Weisen und Johann den Beständigen beim Empfang des Heiligen Abendmahls zeigt. Zum Anderen ein aus dem Herrenchor der evangelischen Johanniskirche Schweinfurt kopiertes Gemälde mit der Übergabe der Augsburger Konfession an Kaiser Karl V. Unterhalb dieser architektonisch reich gerahmten Darstellungen schließt sich am Triumphbogen die reich verzierte Kanzel aus dem Jahr 1676 an. Gegenüber entstand 1717 (über dem südlichen Anbau von 1515) eine zweigeschossige Herzogsloge.

Die Beziehungen der Familie Bach zu dieser Kirche sind vielfältig. Am achteckigen Taufstein, am Sockel mit der Jahreszahl "1503" versehen, wurde Johann Sebastian Bach (nach altem Kalender) am 23. März 1685 durch Magister Johann Christoph Zerbst getauft. Sein Vater Johann Ambrosius Bach wirkte in diesem Gotteshaus von 1671 bis zu seinem Tod im Februar 1695 als Stadt- und Hofmusiker gemeinsam mit seinen Gesellen. Beeindruckt von der musikalischen Leistung des neuen Stadtmusikers notierte der Hof- und Stadtzimmermann Georg Dressel in seiner Chronik: "1672 hat der neue Hausmann auf Ostern mit Orgel, Geigen, Singen und Trompeten und mit heerpauken dreingeschlagen, daß noch kein Kantor oder Hausmann, weil Eisenach getanden, nicht geschehen [...]".

Als Lateinschüler sang Johann Sebastian Bach unter Stadtkantor Andreas Dedekind aus jenen Chorbüchern, die mit großer Wahrscheinlichkeit schon dem jungen Martin Luther zur Verfügung gestanden hattem. Mit Johann Christoph Bach, dem ältesten Sohn des Arnstädter Stadtorganisten Heinrich Bach, amtierte schließlich von 1665 bis zu seinem Tod 1703 ein Vetter des leitenden Stadtpfeifers als Organist an der Georgen- und Nicolaikirche. Mit viel Engagement setzte Johann Christoph Bach einen Orgelneubau durch Georg Christoph Stertzing aus Ohrdruf ab 1697 durch, dessen Vollendung 1707 der "profunde Componist" aber nicht mehr erlebte. Erst 1719 erhielt das Orgelgehäuse seine Verzierungen. Der Straßburger Orgelbauer Johann Andreas Silbermann besuchte am 28. Februar 1741 mit dem Eisenacher Orgelbauer Sebastian Seitz das Instrument, dessen klanglichen und vor allem technischen Aufbau er tadelte. Das verändert erhaltene Gehäuse beherbergt seit 1982 ein Orgelwerk der Firma Alexander Schuke (Potsdam).

In der Turmhalle erinnert über der Kirchenpforte eine geschnitzte und farbig gefasste Wappenkartusche an den berühmten Sohn der Stadt: "Joh. Seb. Bach wurde am 23. März 1685 in dieser Kirche getauft. Gestiftet vom Bachchor und vom Kirchenchor zu St. Georg im 10. Jahre ihres Bestehens 1935". An der Nordwand der Vorhalle erinnert seit einigen Jahren eine Bronzetafel an Georg Philipp Telemann, der von 1708 bis 1712 als Hofkapellmeister zugleich die Kirchenmusik der Stadt- und Schlosskirche maßgeblich mitbestimmte.

Vor der Westfassade der Georgenkirche stand zwischen 1884 und 1938 das von Adolf Donndorf geschaffene Bach-Denkmal, für dessen Finanzierung sich führende Musiker wie Clara Schumann, Joseph Joachim und Franz Liszt eingesetzt hatten. Im Zuge einer Umgestaltung des Frauenplans zog das Standbild 1935 vor das Bachhaus am Frauenplan, wo es mit verändertem Sockel bis heute steht. Als Ersatz schuf der Berliner Bildhauer Paul Birr 1939 ein neues Bach-Denkmal für die Turmhalle der Georgenkirche. Vorlage für die streng dreinblickende überlebensgroße Bronzefigur mit wehendem Chorrock war ein heute als zweifelhaft eingeordnetes Porträt, das Fritz Volbach um 1900 aufgefunden und 1903 als angebliches Altersbildnis Johann Sebastian Bachs publik gemacht hatte.

Die heutige Ansicht von Kirche und Marktplatz prägen maßgeblich die 1898–1902 durchgeführten Arbeiten. Die sogenannten Beichtkapellen an der Außenseite wurden abgetragen, im Innern drei neue Emporen errichtet, die Fenster vergrößert und die Fenster im Chorraum farbig neu verglast. Nach Plänen von Otto March erhielt die Kirche den 62 Meter hohen Kirchturm mit neobarocker Haube an der Nordwest-Ecke sowie einen neuen Westgiebel mit deutlichen Jugendstil-Anklängen. Bis dahin befand sich ein separater Glockenturm in der Domstraße. Über den Torbögen ist in großen Jugendstillettern die erste Verszeile aus Martin Luthers Psalm-Lied Ein feste Burg ist unser Gott angebracht.

Bildnachweis: Graphik Bachhaus Eisenach
Fotos: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Juni 2019)