Bach im Dienst
Mit der Übernahme des Thomaskantorats wechselte Johann Sebastian Bach im Mai 1723 von der beschaulichen Residenzstadt Cöthen ins lebendige und teure Leipzig – eine Universitätsstadt, die durch das kaiserliche Messeprivileg zu Ansehen und Wohlstand gekommen war. Während der Messezeiten kamen Kaufleute und Händler aus ganz Mitteleuropa in Leipzig zusammen, der Kantor und Director Musices dürfte in verschiedener Hinsicht mannigfaltige Impulse empfangen haben. Die Unterrichtstätigkeit übertrug er rasch dem Tertius und handelte sich damit Ärger der Ratsherren ein. Kirchenmusikalisch sind die ersten Jahre seines Leipziger Wirkens von den drei erhaltenen Kantaten-Jahrgängen, der Johannes- und Matthäus-Passion und der Trauer-Ode von 1727 geprägt, die einen Teil der Gottesdienstbesucher gewiss überfordert haben dürfte, während die "Kenner und Liebhaber" von Bachs Fähigkeiten zur musikalischen Textausdeutung vermutlich tief beeindruckt waren. Neben seinen amtlichen Pflichten widmete sich Bach ab 1729 dem Collegium Musicum in Zimmermanns Kaffeehaus und begann in den 1740er Jahren seine Werke einer gründlichen Durchsicht zu unterziehen.
Mit Aufregung verbunden war am 10. Januar 1742 der Selbstmord von Konrektor Siegmund Friedrich Dresig, der mit Bachs in der Thomasschule wohnte. Morgens zwischen 7 und 8 Uhr erhängte er sich im Zwinger hinter dem Pfarrhaus an einem Gartenzaun "mit seiner Halß Krause, auf einem Stein stehend, den Horatium auf der Erde liegend" (Glöckner, Dok., Nr. VIII/F 54). Nicht minder aufregend dürfte sieben Jahre später das verheerende Feuer im Amtshaus bei der Thomaskirche gewesen sein, dem unter anderem das kurfürstliche Amtsarchiv zum Opfer fiel.