Wohnhaus Familie Meckbach

Bereits im 13. Jahrhundert spielte der Deutsche Orden eine wichtige Rolle im geistlichen Leben der Reichsstadt Mühlhausen. Um 1220 entstand im Schatten der Blasiuskirche die Ordensballei (heute Kristanplatz 1), die etwa 1290 um die erhaltene gotische Annenkapelle erweitert wurde. Unter dem Patronat des Deutschen Ordens ließ die Stadt Mühlhausen 1562/63 neben der Ordensballei und gegenüber dem Südportal der Kirche Divi Blasii ein dreigeschossiges Schulhaus errichten, das bis 1580 das städtische Gymnasium beherbergte. 1604 verkauften die Stadtväter das Gebäude.

Eigentümer war im späten 17. und 18. Jahrhundert die Ratsherren-Familie Meckbach. Der Jurist Dr. Conrad Meckbach amtierte erstmals 1679 als Bürgermeister und war in dieser Funktion 1707 maßgeblich an Bachs Berufung beteiligt. Zwischen beiden Familien scheint ein gutes Verhältnis bestanden zu haben, denn die Anfangsbuchstaben der Dichtung zu Kantate Nach Dir, Herr, verlanget mich BWV 150 ergeben in den Sätzen 3, 5 und 7 das Akrostichon „Doktor Conrad Meckbach“. Allerdings sind der Anlass und die Umstände ihrer Entstehung bislang unbekannt. Meckbachs Sohn Paul Friedemann übernahm 1710 das Patenamt bei Bachs erstgeborenem Sohn Wilhelm Friedemann in Weimar.

Da infolge des Stadtbrands vom 30. Mai 1707 der Wohnraum innerhalb der Mühlhäuser Stadtmauer knapp geworden war, wäre es denkbar, dass Bach und seine (spätere) Ehefrau Maria Barbara bei Conrad Meckbach im heutigen Wohnhaus Untermarkt 5 eine Bleibe fanden – archivalisch belegen lässt sich diese Vermutung aber nicht.


Bildrechte Bach-Archiv Leipzig (Markus Zepf, August 2018)

Kirche Maria Magdalena (Brückenkirche)

Neben der Hauptkirche Divi Blasii mussten die Mühlhäuser Stadtorganisten auch drei Nebenkirchen musikalisch versorgen. So gehörte das Spiel in der Kirche Maria Magdalena unter anderem zu Johann Sebastian Bachs Mühlhäuser Dienstpflichten.

1227 als Klosterkirche der Augustinerinnen (Büßerinnen der heiligen Magdalene, volkstümlich auch Weißfrauen genannt) an einer Brücke über die Schwemmnotte in der Unterstadt erbaut, wurden Kirche und Kloster 1524 säkularisiert. Die nunmehr städtische Brückenkirche wurde einer anderen Nutzung zugeführt. Zwischen 1680 und 1843 fanden hier wieder regelmäßig Gottesdienste statt, 1884 wurde die Kirche abgebrochen.

Im August 1689 beschädigte der Stadtbrand das Gotteshaus. Erst zehn Jahre später wurde die Brückenkirche als barocke Saalkirche mit Turm wiederhergestellt. Johann Friedrich Wender, der mit den Arbeiten für die Neue Kirche in Arnstadt beschäftigt war, lieferte 1702 eine kleine Orgel mit sieben Registern und Pedal, der fürstlich-lüneburgische Glocken- und Stückgießer Christian Ludwig Meyer goss vor Ort neue Glocken. Zur Kirchweihe bemerkt eine handschriftliche Chronik 1702: „Den 28. September. Ist die Kirche im Brückenkloster wieder eingeweyhet worden, von dem Hn. Superint. Joh: Adolph Frohnen, und ward d.[er] 100 Psalm erklähret. Jauchtzet dem Herren alle Welt. etc.“ (Stadtarchiv Mühlhausen, Chronik 61/18). Von dem neuerlichen Stadtbrand 1707 blieb die Brückenkirche verschont.

Fotografie, Monochromabzug um 1884.
Bildrechte Stadtarchiv Mühlhausen

Hauptkirche Beata Mariae Virginis (Marienkirche)

Das 1243 erstmals erwähnte Gotteshaus ist an zentraler Stelle der Oberstadt errichtet. Beim Stadtbrand vom August 1689 nahm der Turm Schaden, 1720 beschädigte ein Blitzschlag Turm und große Teile der Orgel. Das heutige Erscheinungsbild der Kirche ist das Ergebnis umfassender Renovierungen der 1880er Jahre.

In der Marienkirche fanden die Dankgottesdienste zum Ratswechsel statt, der seit 1705 am Tag nach dem Kirchenfest Mariä Reinigung (2. Februar) im Rathaus begangen wurde. Der neu gewählte Rat zog gemeinsam mit dem alten Stadtrat am 4. Februar in feierlicher Prozession zur Marienkirche, wo er gemeinsam mit der Bevölkerung einen Festgottesdienst feierte. Johann Sebastian Bach komponierte zu diesem Anlass am 4. Februar 1708 die Kantate Gott ist mein König BWV 71, die der Stadtrat beim Ratsbuchdrucker Tobias David Brückner drucken ließ.

Johann Sebastian Bach schied im Juni 1708 offenbar nicht im Unfrieden aus der Reichsstadt, denn der Rat beauftragte ihn, auch für die Ratswahl 1709 die Festmusik zu schreiben. Die Rechnungsbücher verzeichnen Reisekosten für „Herrn Baachen von weimar“ sowie die Druckkosten für die nicht erhaltene Ratswechselkantate (Dok II, Nr. 43). Im Juni 1735 kam Bach als Orgelgutachter gemeinsam mit seinem Sohn Johann Gottfried Bernhard Bach, um kostenlos die von Christian Friedrich Wender erneuerte Orgel der Marienkirche zu prüfen. Noch während des Aufenthalts wurde am 9. Juni 1735 Johann Gottfried Bernhard Bach zum Organisten der Marienkirche gewählt.

Die Marienkirche mit der Herrengasse und der im 19. Jahrhundert erneuerte Mittelturm der Westfassade im August 2018.
Bildrechte Bach-Archiv Leipzig (Markus Zepf)

Bach-Denkmal an Divi Blasii

Die Kirche Divi Blasii am Untermarkt war der Hauptwirkungsort des jungen Organisten Johann Sebastian Bach. Am Westportal der Kirche erinnert hieran eine steinerne Inschrift und seit August 2009 an der Nordwestecke der Kirche ein spendenfinanziertes Denkmal. Klaus Friedrich Messerschmidt aus Halle/Saale schuf eine lebensgroße Bronzefigur des jungen Musikers, der neben einem Sockel steht, den linken Fuß bereits auf einer höheren Stufe. Hinter dem Denkmal, das auf der Rückseite des Sockels die Namen der Großspender trägt, ist im Boden der Schriftzug "Wege zu Bach" eingelassen.

Bildrechte Bach-Archiv Leipzig (Markus Zepf, August 2018)

Kirche Divi Blasii

Die dreischiffige Blasiuskirche am Untermarkt ist erstmals 1227 in einer Schenkungsurkunde von König Heinrich VII. an den Deutschen Orden erwähnt. Der imposante Kirchenraum erhielt 1610 ein geschmiedetes Chorgitter, das nach dem Stadtbrand vom Mai 1707 während einer Renovierung ausgebessert wurde. Den Hochaltar mit seinem Renaissance-Baldachin schuf 1612–1614 Martin Wiegand, die Fassung Andreas Becke. Das heutige Aussehen der Kirche ist die Folge mehrerer Umbauten und Renovierungen im späten 19. und 20. Jahrhundert.

Ähnlich wie die Kirchenmusik der Arnstädter Oberkirche im 17. und 18. Jahrhundert durch die Bach-Familie bestimmt wurde, war an Divi Blasii die Familie Ahle über ein halbes Jahrhundert für das musikalische Geschehen verantwortlich. Johann Rudolf Ahle bekleidete das Amt des Organisten von 1654 bis zu seinem Tod am 9. Juli 1673, ihm folgte sein Sohn Johann Georg Ahle, der am 2. Dezember 1706 verstarb. Vater und Sohn waren gewählte Mitglieder des Stadtrats, Johann Rudolf Ahle bekleidete gar in seinem Todesjahr das Amt des Bürgermeisters. Als potenzieller Nachfolger Johann Georg Ahles leitete Johann Sebastian Bach am Ostersonntag, 24. April 1707, eine Probemusik in der Blasiuskirche, mit großer Wahrscheinlichkeit die Kantate Christ lag in Todesbanden BWV 4.

Bachs Kantate hinterließ ebenso wie sein Orgelspiel besten Eindruck bei den Stadträten und Kirchpflegern. Am 24. Mai 1707 sprach sich Bürgermeister Dr. Conrad Meckbach für Verhandlungen mit dem „Pachen von Arnstadt“ aus. Dass Kammerschreiber Johann Hermann Bellstedt die weiteren Verhandlungen übernahm, war sicherlich kein Zufall: Sein Bruder Johann Gottfried Bellstedt war Notar und Stadtschreiber in Arnstadt, Pate von Bachs künftiger Ehefrau Maria Barbara und mit deren Tante verheiratet.

Bachs Anstellungsvertrag vom 15. Juni 1707 schrieb nicht nur die musikalische Gestaltung der Gottesdienste fest, sondern auch die Verpflichtung, „das Ihme anvertraute Orgelwerck wenigst in guten stande erhalten, die etwa befindtliche Mängel dem iedesmahl bestellten Herren Vorsteheren anzeigen und vor deren reparatur und music fleißig sorgen […]“ (Dok II, Nr. 21). Vermutlich auf Geheiß Conrad Meckbachs erstellte Bach wohl im Februar 1708 einen Vorschlag zum Umbau der Orgel.

Bildrechte Bach-Archiv Leipzig (Markus Zepf, August 2018)

Mühlhausen – die Freie Reichsstadt

Die Reichsstadt Mühlhausen war an einem Höhenrücken entstanden. Die Federzeichnung aus einer handschriftlichen Chronik im Stadtarchiv Mühlhausen (Sign. 61/38, Blatt 4–5) zeigt die nördliche Oberstadt von Osten mit der erhöht stehenden Marienkirche (rechts) und der kleineren Kirche Divi Blasii in der südlichen Niederung, der Unterstadt (auch Kaufmanns- oder Marktstadt). Zwischen beiden Stadtteilen fließt der Popperöder Bachlauf, der innerhalb der 2,7 Kilometer langen Stadtmauer aus dem 12. Jahrhundert Schwemmnotte heißt. Bis heute prägen die zahlreichen Wach- und Tortürme der Stadtmauer die Stadtsilhouette.

Die politischen und wirtschaftlichen Geschicke der Freien Reichsstadt Mühlhausen leitete ein, erstmals um 1220, erwähnter Stadtrat. Zur Mitte des 14. Jahrhunderts hatte das jährlich gewählte Gremium mit dem Recht der eigenen Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit sowie dem Münz- und Zollrecht weitreichende Befugnisse erlangt. Die Zusammensetzung des Rats spiegelte die Stadtgesellschaft wider: Sieben „Consules“ aus der Alt- und Neustadt regierten mit zwei gewählten Bürgermeistern sowie zehn Mitgliedern der Zünfte und zehn Vertretern der alten Ratsgeschlechter.

Der Dreißigjährige Krieg ruinierte die ohnehin angespannten Stadtfinanzen. Kaum hatte sich die politische Lage etwas beruhigt, raffte 1682/83 eine Pestepidemie 4.617 Einwohner hinweg; im August 1689 zerstörte ein Stadtbrand über 200 Gebäude (auf dem Stadtplan aus dem 19. Jahrhundert gelb markiert). Ein weiterer Großbrand traf die Stadt am 30. Mai 1707, wenige Wochen nachdem Johann Sebastian Bach in der Kirche Divi Blasii erfolgreich seine Probemusik aufgeführt hatte. Als er Mitte Juni zu Vertragsverhandlungen nach Mühlhausen reiste, war die Unterstadt zwischen Ratsgasse, Kornmarkt und Erfurter Tor weitgehend zerstört (in der Karte grün markiert). Auf der Illustration aus einer anderen handschriftlichen Stadtchronik ist rechts die Silhouette der Blasius-, links die der Marienkirche zu erkennen.

Bachs Kantate Aus der Tieffen rufe ich Herr zu Dir BWV 131 scheint in Zusammenhang mit der Brandkatastrophe zu stehen, denn auf der letzten Seite der Reinschrift notierte er: „Auff begehren Tit: Herrn D: Georg: Christ: Eilmars in die | Music gebracht von | Joh: Seb: Bach | Org: Molhusino.“ Georg Christian Eilmar war Pfarrer an der Marienkirche und könnte die Textvorlage geliefert haben.

Bildrechte Stadtarchiv Mühlhausen


Große Linde

Vor Schloss Neideck befand sich eine große, mit drei hölzernen Böden ausgestattete Linde. Durch die hölzernen Einbauten entstand im Laufe von Jahrzehnten eine sogenannte "geleitete Linde". Im zweiten Band seines Enzyklopädischen Lexikons berichtete 1732 Johann Heinrich Zedler (Sp. 1599): "Vor dem Schlosse stehet eine grosse Linde auf welcher 3. Lust-Häuser gemachet sind, in welchen sich der Hoff zur Sommers-Zeit zu erlustigen pfleget."

Papiermühle

Neben der Liebfrauenkirche am Arnstädter Untermarkt ist 1325 erstmals eine Mahlmühle des benachbarten Benediktinerinnen-Klosters genannt. Nach dem Stadtbrand 1581 entstand das 1633 vollendete, imposante Fachwerkgebäude, dessen markante Holzelemente am Fuße jedes Geschosses (sogenannte Thüringer Leiter) maßgeblich dessen optische Wirkung prägen. Zwischen 1585 und 1859 produzierte hier die Papiermühle.

Die Produkte der Arnstädter Papiermühle nutzte auch die Bach-Familie. So besteht beispielsweise der heute als "Möllersche Handschrift" bekannte Sammelband, der unter anderem frühe Orgelwerke Johann Sebastian Bachs überliefert und vermutlich im Umfeld Johann Christoph Bachs in Ohrdruf entstanden sein dürfte, aus Arnstädter Papier.

Aufnahme November 2018 (Bach-Archiv Leipzig, Markus Zepf)

Rathaus

Zwischen Ober- und Unterstadt entstand über der Schwemmnotte um 1300/1310 das Rathaus (linke Aufnahme). In den folgenden Jahrhunderten mehrfach vergrößert und umgebaut, befinden sich im Westflügel die historische Ratsstube mit dem Ratssaal und im Zwischengeschoss des Südflügels das historische Ratsarchiv.

Im Rathaus verhandelte Johann Sebastian Bach am 14. Juni 1707 mit den Kirchpflegern von Divi Blasii und den Stadträten seinen Anstellungsvertrag als Organist. Erst zwei Wochen zuvor hatte ein Stadtbrand große Teile Mühlhausens zwischen Kornmarkt und Untermarkt zerstört. Unter dem Eindruck des Unglücks gaben am 15. Juni die Stadtverordneten Johann Dietrich Peterseim, Sebastian Vockerodt, Christian Stühler und Christoph Haserodt zu Protokoll, sie „hetten keine Fedder oder Dinten, weren wegen des unglücks so bestürtzet, daß Sie an keine Music dächten, wie es die anderen Herren machten weren Sie zufrieden.“ (Dok II, Nr. 20).

Bildrechte Bach-Archiv Leipzig (Markus Zepf, August 2018)

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