Bachplatz mit Bachdenkmal

Zu Bachs 200. Geburtstag 1885 beschloss der Köthener Stadtrat, eine Fläche an der Einmündung der Schulstraße in die Wallstraße in "Bachplatz" umzubenennen und den Komponisten mit einem Denkmal zu ehren. Der Bildhauer Heinrich Pohlmann schuf eine weiß gefasste überlebensgroße Sandsteinbüste auf einem quadratischen Sandsteinsockel mit Johann Sebastian Bachs Lebens- und Köthener Wirkungsdaten.

Ob Zufall oder nicht: Bachplatz und Bachdenkmal entstanden gegenüber dem Gebäude Wallstraße 26, das als eine mögliche Wohnung der Familie Bach angesehen wird.

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Februar 2019)

Lutherisches Pfarrhaus (Bachs mögliche Wohnung)

In der heutigen Stiftstraße 11 ließ der fürstliche Amtsschreiber Ernst Gottlieb Papenhagen im späten 17. Jahrhundert ein zweigeschossiges Wohnhaus errichten. Wie Ernst König im Bach-Jahrbuch 1959 darlegte, fanden im Obergeschoss bis zur Fertigstellung der Kirche die lutherischen Gottesdienste statt. Königs Vermutung, dass Bach ebenfalls in diesem Haus wohnte und mit der Hofkapelle probte, hat sich nicht bestätigt. Fürstin Gisela Agnes erwarb das Gebäude 1721, um Pastor Paulus Berger und seiner Familie ab Ostern eine Wohnung zur Verfügung stellen zu können. Die Fassade des seither als Pfarrhaus genutzten Gebäudes wurde im 19. Jahrhundert klassizistisch überformt.

Die vormundschaftlich regierende Fürstin stiftete 1711 ein Gebäude für adlige lutherische Fräuleins, das Gisela-Agnes-Stift. Bis 1720 entstand östlich des (heutigen) Pfarrhauses in der Stiftstraße 10 ein repräsentatives Wohngebäude, in dem bis 1945 jeweils sechs adlige Fräuleins lebten.

Wohnhaus Konzertmeister Spieß

Joseph Spieß gehörte seit März 1710 der Berliner Hofkapelle des Königs Friedrich I. in Preußen an. Prinz Leopold von Anhalt-Köthen dürfte ihn während seiner Ausbildung auf der Ritterakademie in Berlin im Rahmen einer Hofmusik kennengelernt haben. Nach dem Tod des Königs reduzierte dessen Nachfolger, König Friedrich Wilhelm I. (der "Soldatenkönig"), den Hofstaat und entließ 1713 die meisten Hofmusiker. Auf Bitten ihres Sohnes verpflichtete Fürstin Gisela Agnes von Anhalt-Köthen zunächst fünf der entlassenen Musiker für Köthen, nämlich Joseph Spieß als "Premier Cammer Musicus" sowie den Oboisten Johann Ludwig Rose, den Fagottisten Johann Christoph Torlée, den Violoncellisten Christian Bernhard Linigke und den Geiger Martin Friedrich Marcus.

Während Bachs Köthener Zeit wohnte die Familie Spieß bei Fleischer August Samuel Schreiber im Haus Marktstraße neben der Alten Apotheke zur Miete; im Jahr 1729 ist die Familie Spieß in der heutigen Schulstraße 20 nachweisbar, kaum 100 Meter vom Wohnhaus Wallstraße 26 und dem Bachplatz entfernt. Wie lange Joseph Spieß und seine Familie dort wohnten, ist unklar.

Joseph Spieß war wie die Familie Bach lutherischer Konfession; er wurde am 2. Juli 1730 auf Köthens lutherischem Friedhof bestattet. Die Cammer-Rechnungen notieren mehrfach Zahlungen an Spieß für Streichinstrumente und Zubehör. Im Bach-Jahrbuch 1959 teilte Ernst König mit, dass Spieß im November 1728 von Bach den Auftrag erhalten hatte, "Stücke der Trauermusik für den verstorbenen Fürsten Leopold zu copieren, in Kupfer zu stechen und einzubringen. Er erhielt für diese Arbeit vier Taler 18 gr." Zwischen Konzertmeister Spieß und Kapellmeister Bach scheinen freundschaftliche Bande bestanden zu haben, denn am 11. August 1728 ist "Herr Johann Sebastian Bach, fürstlicher Capellmeister" als Pate bei Spießens Sohn Leopold genannt (Dok. II, Nr. 244).

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Februar/April 2019)

Wohnhaus Hofmusiker Abel

Zu den Mitgliedern der Köthener Hofkapelle gehörte der Geiger und Gambist Christian Ferdinand Abel. Geboren war er vermutlich im August 1682 in einer Musikerfamilie – sein Vater Clamor Heinrich Abel diente als Kammermusiker am Hof in Hannover unter den Herzögen Georg Wilhelm und Ernst August von Braunschweig. Ende 1714 kamen Christian Ferdinand und sein Bruder Johann Christoph Abel nach Köthen, letzterer fand eine Beschäftigung als Hofgärtner. Christian Ferdinand Abel war als "Cammerviolinist" mit Joseph Spieß und Martin Friedrich Marcus bis zur Auflösung der Hofkapelle am 18. Februar 1754 in Köthen tätig. Gemeinsam mit Johann Sebastian Bach und vier weiteren Musikern begleitete Abel den Fürsten Leopold 1718 und 1720 zur Badereise ins böhmische Karlsbad.

Abel war lutherischer Konfession. Am 6. Januar 1720 gebar seine Frau Anna Christina die Tochter Sophia Charlotta, die am 10. Januar in der Schlosskirche getauft wurde. Paten waren Bürgermeister Heinrich Gottlob Splithußen, Johann Sebastian Bach, Charlotta Elisabeth Dildey (Frau des fürstlichen Stallmeisters), Magdalena Bramigken (Frau des fürstlichen Verwalters) sowie Sophia Bernhardt (Frau des Hofmusikers Johann Bernhardt). Abels in Köthen geborene Söhne Leopold August und Carl Friedrich wurden ebenfalls Musiker und standen als Gambisten in hohem Ansehen. Der in London gemeinsam mit Bachs jüngstem Sohn Johann Christian tätige Carl Friedrich Abel wird heute als "der letzte Gambist" apostrophiert. Am 26. Dezember 1723 war er in der Schlosskapelle Köthen getauft worden, unter den Paten befand sich Kammermusiker Joseph Spieß.

Christian Ferdinand Abel wohnte zunächst mit dem aus Berlin übernommenen Hoffagottisten Johann Christoph Torlée zur Miete im Magdeburger Viertel, Haus Nr. 359. Abels ehemaliges Wohnhaus in der heutigen Springstraße 8 ist verändert erhalten. An der Fassade erinnert eine gläserne Gedenktafel an den Hofmusiker und seinen in London berühmten Sohn. Christian Ferdinand Abel wurde am 3. April 1761 auf Köthens lutherischem Friedhof beigesetzt.

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Februar 2019)

C Lutherische Agnus-Kirche

Fürstin Gisela Agnes von Anhalt-Köthen stiftete 1694 westlich des Schlossbezirks die neue lutherische Kirche sowie eine lutherische Schule. In der heutigen Stiftstraße entstand bis 1699 nach Plänen von Baumeister Johann Bernhard Beuchel aus Zerbst eine schlichte Saalkirche mit eingezogenem Chorraum und kleinem Dachreiter auf der Westseite. Aus der Bach-Zeit stammt das großformatige Standesporträt der Stifterin, Fürstin Gisela Agnes in Witwenkleidung, gemalt 1713 von Antoine Pesne. Den geschnitzten und vergoldeten Rahmen bekrönt das Allianzwappen, im Sockelfeld befindet sich (hinter einem Kunstschmiedegitter) eine umfangreiche Widmungsinschrift.

Die angewachsene Gemeinde machte 1746/48 eine Erweiterung notwendig. Hofzimmermann Höhne zog 1748 vor der Orgelempore eine weitere Empore ein, die Südsakristei wurde überbaut und hinter dem Altar eine weitere Empore eingezogen, die durch Treppentürme von der Außenseite zugänglich war. Einhundert Jahre später, 1849, wurde das Innere der Kirche zunächst im Stile des Spätklassizismus überformt und 1887/88 die Ausstattung im neugotischen Stil ergänzt. Nach der letzten, 2012 abgeschlossenen Renovierung präsentiert sich die Agnus-Kirche als helles Gotteshaus mit dreiseitiger Empore. Den doppelseitigen Flügelaltar (derzeit ausgebaut) aus der Merseburger Gegend datieren Kunsthistoriker auf die Zeit um 1510. Geöffnet zeigt das Mittelfeld große Schnitzfiguren des auferstandenen Christus als Erlöser, flankiert von Maria und Johannes. In den Flügeln stehen links die Heiligen Barbara und Elisabeth, rechts Jakobus Minor und Laurentius. Die erste Wandlung zeigt alttestamentarische Typen des Abendmahls, die Außenseiten zwei Heilige aus der Werkstatt des Lukas Cranach. 1859 gelangte eine qualitätsvolle Kopie des berühmten Abendmahlbildes, von Lucas Cranach dem Jüngeren für die Schlosskirche zu Dessau geschaffen, in die Agnus-Kirche.

Kirchenpolitisch beendete die Union von Lutheranern und Reformierten 1827 im Fürstentum Anhalt die Trennung beider Konfessionen. Die Agnus-Kirche diente bis 1880 für lutherische Gottesdienste. Das Innere der Kirche wurde 1849 im Stile des Spätklassizismus erneuert und 1887–1888 die Ausstattung im neugotischen Stil ergänzt. Umfassende Sicherungs- und Sanierungsarbeiten konnten 2012 abgeschlossen werden.

Die Familie Bach gehörte zur lutherischen Agnus-Kirche, weshalb für die Jahre 1720, 1721 und 1723 Mietzahlungen des Kapellmeisters für Kirchenstühle erhalten sind. Die Abendmahlsregister führen den Kapellmeister zwischen dem 9. Oktober 1718 und 20. Dezember 1722 acht Mal als Besucher, davon einmal mit seiner ersten Ehefrau Maria Barbara Bach und drei Mal mit seiner zweiten Ehefrau Anna Magdalena Bach (Dok II Nr. 92).

Ob Bach in der Agnus-Kirche auch musizierte, ist bislang unbekannt. Organist an der 1708 von Johann Heinrich Müller erbauten Orgel war zunächst Emanuel Lebrecht Gottschalck, der zugleich als Notenkopist der Hofkapelle wirkte und somit Bachs dienstlichem Umfeld zugehörte. Mit seiner Anstellung als Kammerdiener 1718 übernahm der aus Halle/Saale zugewanderte Christian Ernst Rolle das Amt des Organisten, der in der Hofkapelle vermutlich als Geiger und Bratscher mitwirkte und 1728 als Organist nach Neubrandenburg wechselte (er verstarb dort 1739). Kantor der Agnus-Kirche und benachbarten lutherischen Schule (die vermutlich die beiden ältesten Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach besuchten) war Johann Caspar Schultze. Am 26. Oktober 1722 erscheint Bach an erster Stelle unter den Paten bei der Taufe von Schultzes Tochter Sophia Dorothea (Dok II, Nr. 116).

Bildnachweis: Bach-Archiv Leipzig (Dr. Markus Zepf, Februar/April 2019)

Alter Friedhof

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand vor dem Halleschen Tor im Süden der Stadt Köthen der Friedhof. Ursprünglich von einer Erdmauer umgeben, ließ Fürst Emanuel Lebrecht von Anhalt-Köthen 1693 gemauerte Begräbnisbögen nach italienischem Vorbild entlang der Friedhofsmauer anlegen. Wer es sich leisten konnte, ließ ein aufwendiges Grabdenkmal aufstellen. Der Friedhof war in einen reformierten und einen lutherischen Bereich untergliedert und wurde bis ins ausgehende 19. Jahrhundert mehrfach erweitert. Erst mit der Eröffnung eines Neuen Friedhofs im Mai 1888 nordwestlich des Zentrums verlor diese Begräbnisstätte an der Bärenteichpromenade ihre Funktion und wurde zum heutigen Friedenspark umgewandelt. Am Nordrand ist heute eine Feuerwache untergebracht; versteckt hinter Büschen, informiert an einer Garage eine Steintafel zur Geschichte dieses Ortes, in dessen Mitte sich heute eine ovale Wasserstelle befindet, umgeben von vereinzelt aufgestellten Grabmälern des 18. und 19. Jahrhunderts.

Im östlichen, ehemals lutherischen Teil des heutigen Friedensparks wurde am 28. September 1719 Bachs zehn Monate alter Sohn Leopold August (getauft am 17. November 1718) bestattet, am 7. Juli 1720 seine Mutter, Bachs Ehefrau Maria Barbara (Dok II, 100). Ihr zweitgeborener Sohn Carl Philipp Emanuel überliefert die dramatischen Ereignisse im 1754 veröffentlichten Nekrolog auf seinen Vater: "Nachdem er mit dieser seiner ersten Ehegattin 13. Jahre eine vergnügte Ehe geführet hatte, wiederfuhr ihm in Cöthen, im Jahre 1720. der empfindliche Schmerz, dieselbe, bey seiner Rückkunft von einer Reise, mit seinem Fürsten nach dem Carlsbade, todt und begraben zu finden; ohngeachtet er sie bey der Abreise gesund und frisch verlassen | hatte. Die erste Nachricht, daß sie krank gewesen und gestorben wäre, erhielt er beym Eintritte in sein Hauß."

Die Bachschen Grabstätten sind heute unbekannt. Am Löschwasserteich erinnert ein Findling an Maria Barbara Bach.

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Februar 2019)

Bach privat

Johann Sebastian Bachs privates Umfeld in Köthen ist – wie in den anderen Fällen auch – nur in Bruchstücken bekannt. Mehrfach erscheinen Bach und seine Ehefrauen als Taufpaten in den Kirchenbüchern. Sein erstes in Köthen geborenes Kind war der am 17. November 1718 getaufte Leopold August. Der Säugling starb bereits im September des folgenden Jahres. Während einer längeren Dienstreise mit seinem Fürsten nach Karlsbad starb Bachs Ehefrau Maria Barbara im Juli 1720. Mit diesem Verlust wird Bachs Wunsch nach einem Ortswechsel in Verbindung gebracht, der ihn im November/Dezember 1720 zur Bewerbung um das Organistenamt an der großen Arp-Schnitger-Orgel der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi veranlasste.

Am 21. Juni 1721 erscheint Anna Magdalena Wilcke als Sängerin in Köthen. Die Tochter des Weißenfelser Hof- und Feldtrompeters Caspar Wilcke ist am 25. September 1721 gemeinsam mit dem Kapellmeister unter den Paten für Johann Christian Hahn, Sohn des fürstlichen Kellerknechts Christian Hahn und dessen Ehefrau Maria Elisabeth, aufgeführt (Dok II, Nr. 108). Im Dezember 1721 heirateten Bach und Anna Magdalena Wilcke "auf Fürstl. Befehl" in Bachs Wohnung (Dok II, Nr. 110). Wo sich diese Wohnung befand, ist bislang unklar, es werden drei mehr oder weniger wahrscheinliche Wohnstätten ins Feld geführt. Einer mündlichen Überlieferung in Köthen folgend, soll das Ehepaar um 1721 umgezogen sein.

Kontakte zu Köthener Musikern scheint Bach in seiner Leipziger Zeit weiterhin gepflegt zu haben. Er wird Pate bei einem Sohn von Konzertmeister Joseph Spieß, der 1719 Violinen des Innsbrucker Meisters Jacob Stainer (oder nach dessen Modell gefertigte Instrumente) der fürstlichen Hofkapelle verkaufte. Ob die im Oktober 1750 in Bachs Nachlass aufgeführte "Stainerische Violine" ebenfalls aus dieser Verbindung herrührte, ist unbekannt.

B Stadt- und Kathedralkirche St. Jakob

Auf dem heutigen Marktplatz erhebt sich die reformierte Stadt- und Kathedralkirche St. Jakob. Die Fürsten von Anhalt-Köthen standen als Oberhaupt der Kirche ihres Landes vor, weshalb die Stadtkirche mit der Verlegung der anhaltischen Residenz nach Köthen zugleich als Kathedralkirche diente und bis zum Übertritt des Hauses Anhalt-Köthen zum Katholizismus als deren Grablege fungierte.

Die Baugeschichte der spätgotischen dreischiffigen Hallenkirche ist anhand von Inschriften gut nachvollziehbar. Die Umfassungsmauern von Langhaus und dem eingezogenen Chorraum entstanden zwischen 1400 und 1430, die Innenausstattung war 1518 abgeschlossen. Im Westen schloss sich ein quadratischer Glockenturm an, der 1599 einstürzte und nicht wiederaufgebaut wurde. In dieser Form präsentiert sich das Gotteshaus auf der um 1720 entstandenen Stadtansicht. An der Südseite des Langhauses entstand um 1470/80 eine Sakristei mit Doppelgeschossen, die im Zuge der tiefgreifenden Umgestaltungen Mitte der 1860er Jahre zu einer Eingangshalle wurde. Eine Vorstellung, wie die Stadt- und Kathedralkirche zur Bach-Zeit aussah, vermitteln zwei Architekturzeichnungen, die vor der Umgestaltung unter der Leitung von Vincenz Statz 1866–1869 entstanden, an die unter anderem ein datierter Schlussstein im Gewölbe des Mittelschiffs erinnert. Auf Basis dieser Zeichnungen und weiterer Archivalien schuf der Architekt und Musiker Alexander Grychtolik mit seinem Team eine digitale Rekonstruktion des Raums, wie er sich dem Besucher der Bach-Zeit nach der Beisetzung des Fürsten Leopold von Anhalt-Cöthen 1729 geboten haben mag.

Bildrechte Zeichnungen: Köthen Kultur und Marketing GmbH

Bildrechte Rendering: Alexander Grychtolik und Andreas Hummel (Arte4D) auf Grundlage einer vom Land Sachsen-Anhalt geförderten Visualisierung von Julia Jancke und Jan-Martin Schüler

Das Innere der Kirche erhielt im 17. und 18. Jahrhundert schrittweise eine barocke Ausstattung. Auf der Westempore erstellten Zacharias und Andreas Thayßner 1674–1676 eine neue Orgel mit zwei Manualen und 25 Registern, die in den folgenden Jahrzehnten mehrfach verändert wurde. Als Organist wirkte zwischen 1713 und seinem Tod 1731 war der ehemalige Köthener Stadtpfeifer Johann Jakob Müller, der von 1707 bis 1712 der Hofkapelle angehört hatte. Neben seiner Tätigkeit als Organist war er fünfter Schulkollege an der reformierten Stadtschule.

Im südlichen Chorraum der Kathedralkirche erhob sich das Mausoleum für Bachs 1728 verstorbenen Dienstherrn Leopold von Anhalt-Köthen. Zur abendlichen Beisetzung am 23. März 1729 und der Trauermusik am folgenden Tag reisten laut Cammer-Rechnung vom 25. März der "anhero verschriebene CapellMeister Bachen, deßen Ehefrau und Sohne auß Leipzig" an, mit ihnen weitere Musiker für Bachs verlorene Trauermusik "auß Halle, Merseburg, Zerbst, Deßau und Güsten" (Dok II, 259). Von 1866 bis 1869 fand eine purifizierende Renovierung statt, in deren Gefolge die barocke Innenausstattung mitsamt des fürstlichen Mausoleums verloren ging. Die barocken Prunksärge des askanischen Hauses fanden in einer neuen Gruft unter dem Chorraum ihre Ruhestätte.

Das heutige Aussehen der Kirche bestimmt die gotisierende Doppelturmfront mit ihrer charakteristischen Verbindungsbrücke, die Bernhard Sehring 1897–1899 nach dem Vorbild der Marktkirche Halle/Saale und der Stadtkirche Wittenberg erbauen ließ. Die vier Bronzeglocken, 1300, um 1400 und 1587 gegossen, erklangen bereits zu Bachs Zeiten.

Bildrechte Fotos. Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Februar/April 2019)

Wallstraße 26 (Bachs mögliche Wohnung)

Eine weitere Wohnung Bachs soll in der heutigen Wallstraße 26 gelegen haben. Im Februar 1719 beschloss Fürst Leopold, die Stadt Köthen nach Westen zu erweitern. Außerhalb der Stadtmauer verlief der von Gärten gesäumte Verbindungsweg zwischen Hallescher und Magdeburger Vorstadt, den er zur ringförmig angelegten Wallstraße mit ihrem charakteristischen Knick, dem heutigen Bachplatz und Schulstraße ausbauen ließ. Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Beschlusses begannen die Bauarbeiten. Dem fürstlichen Willen folgend, blieben die neuen Grundstücke steuerfrei, bis alles bebaut war. Allerdings war dies nicht mit dem Stadtrat abgestimmt, was zu anhaltenden Verstimmungen zwischen Stadt und Fürst führten, die erst Fürst Leopolds Nachfolger, Fürst August Ludwig, 1730 beilegen konnte. Er verfügte, dass fortan die Gebäude nur die ersten drei Jahre steuerfrei waren. Trotz der Steuervorteile zog sich die Bebauung der Wallstraße bis etwa 1760 hin. Das heutige Aussehen prägt die klassizistische Überformung, namentlich der ehemaligen Gold- und Silberfabrik des Markus von Schnurbein in der Wallstraße 27, das um 1830 zu einem spätklassizistischen Gebäude mit markantem Mittelrisalit und antikisierendem Giebel umgebaut wurde.

In der Wallstraße besaß der Köthener Krämer Johann Andreas Lautsch einen Garten, den er nach 1719 mit geräumigen zweigeschossigen Gebäuden bebaute. Während Ernst Haetge und Marie-Luise Harksen im 1943 veröffentlichten Band 2.1 der Kunstdenkmale des Landes Anhalt noch davon ausgingen, dass dieses Gebäude bereits 1712 erbaut und zunächst von Bachs Vorgänger Reinhard Stricker, zwischen 1717 und 1723 dann von Bach selbst mutmaßlich bewohnt worden war, interpretierte Ernst König im Bach-Jahrbuch 1957 die erhaltenen Unterlagen vorsichtiger. Er ging davon aus, dass das Gebäude erst 1729 zur Erbhuldigung Fürst August Ludwigs bewohnt war. Da die Hofkammer auch weiterhin Bach den Mietzins für das Probenlokal der Hofkapelle bezahlte, wird entweder seine Wohnung hierfür geräumig genug gewesen sein oder die Proben fanden noch immer in der Schalaunischen Straße 44 statt.

Ob die Familie Bach tatsächlich in der Wallstraße 26 lebte, wie die beiden aus verschiedenen Zeiten stammenden Plaketten an der Hauswand nahelegen, bleibt also weiterhin ungeklärt.

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Februar 2019)

Schalaunische Straße 44 (Bachs mögliche Wohnung)

Über Bachs Wohnung in Köthen gibt es bislang keine gesicherten Erkenntnisse. Die Hofrechnungen verzeichnen ab dem 29. Dezember 1717 nur die Ausgaben für den regelmäßigen Mietzins sowie eine Vergütung "wegen habender Probe in Seinem Hause", nennen aber keine Details. Bachs Vorgänger Reinhard Stricker, im Juli 1714 aus Berlin berufen, wohnte bis zu seinem Weggang aus Köthen 1717 im Haus des Oberpredigers der lutherischen Agnus-Kirche in der heutigen Magdeburger Straße, hielt die Proben der Hofkapelle aber im Gebäude Schalaunische Straße 44 ab, das dem Krämer und Tuchhändler Johann Andreas Lautsch gehörte. Ernst König widmete sich im Bach-Jahrbuch 1957 den verschiedenen möglichen Wohnhäusern, kam aber aufgrund der lückenhaften Quellenlage zu keinem abschließenden Urteil. Zwei Jahre später vermutete König, dass Bach mit einiger Wahrscheinlich im rechts anschließenden Nachbargebäude (heute Holzmarkt 12) wohnte.

Das geräumige Wohnhaus in der heutigen Schalaunischen Straße 44 ist in einem 2008 abgeschlossenen computergestützten Forschungsprojekt erneut als die wahrscheinlich erste Köthener Wohnung der Familie Bach in den Fokus gerückt. Dass die Familie Bach einer geräumigen Wohnung bedurfte, liegt angesichts der Familiengröße nahe, denn bei der Übersiedlung von Weimar nach Köthen im Dezember 1717 gehörten neben Johann Sebastian und Maria Barbara Bach die in Weimar geborenen Kinder Catharina Dorothea (1708–1774), Wilhelm Friedemann (1710–1784), Carl Philipp Emanuel (1714–1788) und Johann Gottfried Bernhard (1715–1739) zur Familie, ferner Maria Barbara Bachs älteste, unverheiratete Schwester, Friedelena Margaretha Bach (1675–1729), der Ohrdrufer Neffe Johann Bernhard Bach (1700-1743), der von Januar bis März 1719 als Notenkopist der Hofkapelle in fürstlichen Diensten stand, sowie die Privatschüler. Wenigstens für August 1721 ist durch einen Taufeintrag eine Magd, nämlich "Jungfer Anna Elisabeth, in diensten bey dem Herrn Cappelmeister Bachen allhier", nachgewiesen (Dok II, Nr. 106).

Das Aussehen des Gebäudes Schalaunische Straße 44 zur Bach-Zeit dürfte weitgehend einem Aquarell vom 12. Juli 1884 entsprochen haben (Bildmitte). Das Gebäude wie auch das benachbarte Wohnhaus Holzmarkt 12 wurde Mitte der 1960er Jahre abgebrochen und durch moderne Zweckbauten ersetzt.

Bildrechte Aquarell: Köthen Kultur und Marketing GmbH; Fotos: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Februar/April 2019)

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