Johannisfriedhof

Aus verschiedenen Gründen bestimmte Herzog Georg von Sachsen 1536 den Gottesacker an der Johanniskirche in der Grimmaischen Vorstadt zum alleinigen Begräbnisplatz der Stadt Leipzig; damit verbunden war die Ausdehnung der Begräbnisfläche auf die südliche Seite der Kirche. Die bisherigen Friedhöfe um die Innenstadtkirchen hatten im eng bebauten Stadtkern mehrfach zu hygienischen Problemen geführt und wurden auf landesherrliche Anordnung geschlossen. Heute erinnern noch Straßennamen wie Thomaskirchhof, Nikolaikirchhof oder Matthäikirchhof daran.

Etwa 250 Meter hinter dem Gottesacker befand sich an der Weggabelung nach Crottendorf und Wurzen (am heutigen Rabensteinplatz) der städtische Richtplatz für Enthauptungen sowie etwas weiter östlich Galgen und Rad. Die Todesstrafe wurde meist unter reger Beteiligung von Schaulustigen vollzogen, anschließend einige der Leichname auf dem Johannisfriedhof bestattet, andere als „Cadavera“ auf einer Wiese neben Galgen vergraben oder, auf das Rad geflochten, Witterung und Tierreich preisgegeben. Für das 18. Jahrhundert weist Rico Heyl im zweiten Band der Geschichte der Stadt Leipzig (S. 181) 41 Hinrichtungen nach, davon 33 durch das Schwert, fünf durch Rädern und drei durch den Strang, wobei neun Enthauptungen auf dem Marktplatz stattfanden. In der Regel begleiteten die Thomaner mit geistlichen Gesängen die Delinquenten zum Richtplatz.

Nach Gustav Wustmann musste der Friedhof 1580 nach Osten erweitert werden (im Plan "erste Abtheilung" beim Hospital am unteren Bildrand), 1616 kam eine dritte Vergrößerung hinter den Scheunen des Johannishospitals mit dem Hospitalbogen hinzu (im Plan links vom Hospital auf der Zweiten Abteilung), die vierte Erweiterung erfolgte schließlich im Pestjahr 1680. Wie der Plan zeigt, umgaben Grabgewölbe den Friedhof und die Abteilungen, sodass neben Erdgräbern auch die exklusiveren Grabgewölbe als Erbbegräbnisse zur Verfügung standen. Der Johannisfriedhof erstreckte sich schließlich bis zum heutigen Gutenbergplatz und nahm in der vierten, als Park erhaltenen Abteilung, Massengräber für Verstorbene des Siebenjährigen Kriegs sowie der Völkerschlacht 1813 auf. Schon 1850 wurde um die Kirche der Friedhof säkularisiert und an der Westseite der Kirche als "Johannisplatz" geöffnet, Teile der Kirchhofmauer an der heutigen Dresdner- und Pragerstraße wurden niedergelegt und der Friedhof in diesem Bereich zum Park umgestaltet; lediglich das hinter dem Chorraum gelegene Grab des Dichters Christian Fürchtegott Gellert blieb damals erhalten. Am Heiligen Abend 1883 fand die letzte Beerdigung auf dem Johannisfriedhof statt. Auf den ehemaligen Abteilungen I und II, die das ursprünglich als Hospital für Leprakranke gegründete Johannishospital umfasste, entstand 1925–29 das neue Grassimuseum.

Bildnachweis Lageplan: wikimedia
Bildnachweis Fotografie: Bach-Archiv Leipzig

Am 28. Juli 1750 starb Johann Sebastian Bach abends acht Uhr; sein Leichnam wurde am nächsten Tag mit dem Leichenwagen ohne Gebühr auf den Friedhof verbracht (Dok II, Nr. 608) und am 30. oder 31. Juli 1750 in einem flachen Grab beigesetzt. Wo sich die Grabstätten seiner in Leipzig verstorbenen Kinder und der zweiten Ehefrau Anna Magdalena Bach (gestorben am 27. Februar 1760) befanden, ja, ob die Eheleute wie dies heute üblich ist, im selben Grab bestattet wurden, ist ebenso unbekannt, wie die Grabstätten seiner in Leipzig gestorbenen Kinder und der 1729 verstorbenen Schwägerin Friedelena Margaretha Bach. Todtengräber Müller lieferte am 31. Juli "wegen Herrn Johann Sebastian Bach’s eichenem Sarg“ die für Bestattungen in Kiefer- und Eichensärgen übliche Gebühr von 4 Talern an das Johannisspital ab (Dok II, Nr. 610). Den damaligen Gepflogenheiten folgend, war Bachs Grabstätte unbezeichnet und schon vor dem Tod der letzten Tochter Regina Susanna Bach am 14. Dezember 1809 in Vergessenheit geraten. Johann Friedrich Rochlitz, Redakteur der noch jungen Allgemeinen Musikalischen Zeitung notierte am 12. März 1800: "So ist es z. B. umsonst, selbst des mit Recht tief verehrten, ja schon bey seinen Lebzeiten tief verehrten Sebastian Bachs Ruhestätte, oder irgend Etwas, das sein Andenken erhalten sollte – in Leipzig ausforschen zu wollen." (Dok III, Nr. 1032)

In seinem Essay "Monument für Beethoven" berichtet Robert Schumann 1836 in seiner Neuen Zeitschrift für Musik: "Eines Abends ging ich nach dem Leipziger Kirchhof, die Ruhestätte eines Großen aufzusuchen: viele Stunden lang forschte ich kreuz und quer – ich fand kein 'J. S. Bach' ... und als ich den Totengräber darum fragte, schüttelte er die Obskurität des Mannes den Kopf und meinte: Bach gäb's viele." Heinrich Heinlein hält in seinem 1844 gedruckten Werk Der Friedhof zu Leipzig in seiner jetzigen Gestalt auf Seite 202 fest: "Der Ort, wo die Cantoren Doles, Hiller und Schicht [...] ihre Ruhestätte fanden, ist genau angegeben, obgleich kein Denkmal denselben bezeichnet; aber unmöglich war es, das Grab von Johann Sebastian Bach [...] zu ermitteln, da zufällig die Todtenregister an der Stelle, wo derselbe verzeichnet war, von der Zeit beschädigt und unleserlich geworden sind."

Zu Johann Sebastian Bachs 200. Geburtstag am 21. März 1885 war auf der Südseite der Johanniskirche eine Tafel mit einer von Stadtarchivar Gustav Wustmann entworfenen Inschrift angebracht worden: „Auf dieser Seite / des ehemaligen Johanniskirchhofes / wurde / Johann Sebastian Bach / am 31. Juli 1750 begraben.“ Im Vorfeld des beschlossenen Neubaus der Johanniskirche nutzte Nikolaipfarrer Friedrich Georg Tranzschel im Spätjahr 1893 die sich bietende Gelegenheit, nach Johann Sebastian Bachs Grabstätte suchen zu lassen. Einer mündlichen Überlieferung zufolge soll „Bach sechs Schritte geradeaus von der Thüre an der Südseite der Kirche beerdigt worden sein“ – wann diese Überlieferung einsetzte und ob sie tatsächlich auf den Thomaskantor bezogen war oder einen anderen Namensträger Bach (wie beispielsweise den Universitätsschreiber Michael Bach), ist unbekannt. Noch wenige Tage vor der Suche nach Bachs Grab veröffentlichte Wustmann seine Zweifel in einer Studie zu "Bachs Grab", unterstützte aber den Plan der vom Rat der Stadt Leipzig eingesetzten Kommission, der mündlichen Überlieferung folgend auf der Südseite der Kirche in einer abgesteckten Fläche den Boden „auf eine Tiefe von etwa 2 ½ Meter ausheben“ zu lassen, wie der Leipziger Anatom Wilhelm His am 3. März 1895 in seinem Bericht überliefert (S. 4). Am 22. Oktober 1894 fanden die Totengräber ein Grab mit einem Eichensarg, dessen Inhalt Wilhelm His am Nachmittag mit dem Anatomiediener Dornfeld bei anhaltendem Regen barg, weshalb die Hände und Finger nur unvollständig erhalten sind: „Das Skelett gehörte, wie sich sofort mit Sicherheit herausstellte, einem älteren, keineswegs sehr grossen, aber wohlgebauten Manne an.“ In seinem Forschungslabor verglich His den geborgenen Schädel mit den überlieferten Bach-Porträts und stellte große Übereinstimmungen fest, sodass die vom Rat der Stadt Leipzig eingesetzte Kommission am 8. März 1895 feststellte: „Die Annahme, dass die am 22. October 1894 an der Johannis-Kirche in einem eichenen Sarge aufgefundenen Gebeine eines älteren Mannes die Gebeine von Johann Sebastian Bach seien, ist in hohem Grade wahrscheinlich.“ (S. [16]) Da auf dem eichenen Sarg die Bestattung einer Frau stattgefunden hatte, in deren Sarg sich unter anderem ein Fingerhut fand, waren sich alle Beteiligten darüber einig, das Grab von Johann Sebastian und Anna Magdalena Bach gefunden haben. Ob dem tatsächlich so ist, sei dahingestellt. An der Südwand der Johanniskirche informierte die Inschrift: "An dieser Stelle der jetzigen Kirchen Mauer lag der grosse Thomaskantor Johann Sebastian Bach begraben + Als das alte Kirchen Schiff abgebrochen wurde, öffnete man am 22. Oktober 1894 das Grab. Nach Vollendung des Neubaues wurden am 16. Juli 1900 die Gebeine Bachs in der Gruft unterm Altar beigesetzt."

Die geborgenen Gebeine des nach His’ Untersuchung etwa 166 Meter großen Mannes wurden mit den Überresten des Dichters Christian Fürchtegott Gellert in einer eigens angelegten Gruft vor den Chorstufen der neuen Johanniskirche in einem Sarkophag aus französischem Kalkstein bestattet. Die Bach-Gellert-Gruft war 1945 durch eine Zement-Beton-Decke gesichert worden, weshalb die beiden Schausärge unversehrt die Zerstörung der Johanniskirche überstanden. Universitätsmaurermeister Adalbert Malecki überführte den Bach-Sarg am 28. Juli 1948 in die Thomaskirche; der Gellert-Sarg kam in den Nordchor der Universitätskirche und wurde vor deren Sprengung im Mai 1968 auf dem Südfriedhof in Abteilung I, Erbbegräbnis 21, beigesetzt.

Auf Initiative des Fördervereins „Johanniskirchturm e.V.“ markieren im Rasen vor dem Grassi-Museum ein Rechteck die Umrisse der ehemaligen Bach-Gellert-Gruft und ein Kreis die Position des sogenannten Bach-Grabes. An der steinernen Einfassung hat die Stadt Leipzig 2016 gegossene Bronzeplatten mit Informationen zur Geschichte von Johanniskirche und Spital, des Friedhofs sowie der Grabstätten Bachs und Gellerts anbringen lassen.

Bildnachweis Fotografie 1948: Bach-Archiv Leipzig (Sammlung Heyde)
Bildnachweis heutiger Zustand: Bach-Archiv Leipzig (Dr. Markus Zepf, März 2020)

Wohnhaus Johann Christian Hoffmanns

Wenige Meter von der Johanniskirche entfernt befand sich neben der Einmündung zur heutigen Querstraße das Wohnhaus des Geigen- und Lautenmachers Johann Christian Hoffmann. Sein Großvater, der aus Kammerberg bei Ilmenau stammende Geigenmacher Veit Hoffmann hatte 1652 in der Thomaskirche Anna Maria Hieronymus aus Dahlen (etwa 40 Kilometer östlich von Leipzig) geheiratet, die ein Haus in der Bettelgasse (heute Johannisgasse) in die Ehe einbrachte, wo Veit Hoffmann offenbar seine Werkstatt betrieb. Sein Sohn Martin Hoffmann erwarb 1698 ebenfalls in der Bettelgasse ein größeres Haus mit „Seiten Gebäudgen nebst einen darvor stehenden Garten“, der an den Südrand des Großbosischen Gartens grenzte (Hoffmann 2015, S. 47). Sein Sohn aus erster Ehe, Johann Christian Hoffmann, erwarb schließlich 1727 das zweigeschossige Haus im Grimmaischen Steinweg von seinem im Vorjahr verstorbenen Schwager, dem Rotgießer Johann Friedrich Messkens. Hoffmanns zweite Ehefrau, Elisabeth, brachte im September 1736 zwei weitere Häuser, wenige Meter entfernt am Anfang des Grimmaischen Steinwegs gegenüber dem Poststall in die Ehe ein; diese Gebäude waren vermietet und fielen nach Hoffmanns Tod an die Familie seiner verstorbenen Frau zurück.

Die Familie Hoffmann stattete die Leipziger Kirchen mit qualitativ hochwertigen Streichinstrumenten aus. Am 30. April 1721 notierte der Neukirchen-Organist Georg Balthasar Schott: „Zur Neuen Kirchen gehören folgende Instrumenta alß: 2. Violinen / 1. Viola. / 1. Violoncello. / Welche alle der hiesige Instrumentenmacher Hoffmann verfertiget.“ 1730 lieferte er abermals zwei Violinen, Viola und Violoncello für 36 Taler, am 23. Dezember 1737 einen Violone für 24 Reichstaler (Hoffmann 2015, S. 118). Für die Kirchenmusik an den beiden Hauptkirchen bestellte Johann Sebastian Bach bei dem „Königlich Polnischen und Churfürstlich Sächsischen HoffInstrument- und Lautenmacher“ ebenfalls „2. neue feine violinen, 1. dergl. Viola, und 1. Violon Cello mit zubehörigen Bögen“, die Hoffmann 1729 für insgesamt 36 Taler lieferte (Dok II, 272). Die beiden Violinen und die Viola sind überarbeitet erhalten und in der Pank-Sakristei der Thomaskirche ausgestellt. Spätestens 1734 ließ Bach die regelmäßige Pflege der Streichinstrumente dem Geigen- und Lautenmacher übertragen, für die Jahre davor sind bislang keine Dokumente bekannt geworden (Dok II, Nr. 160).

Über diese dienstlichen Belange hinaus sind zwei Belege für freundschaftliche Kontakte bekannt. Am 13. März 1730 war Bach Pate bei der Taufe von Maria Rosina Schramm, deren gleichnamige Mutter Hoffmanns Halbschwester war. Auf eine durchaus freundschaftliche Verbindung zwischen dem Director Musices und dem Geigenbauer verweist Hoffmanns Testament vom 11. September 1748, worin er unter Punkt 11 festlegte: „Wenn sich bey meinen Absterben verfertigte Musicalische Instrumente, so mein eigen sind, befinden, sollen selbe nicht alle verkaufft werden, sondern nachgesezte meine lieben Freunde nehmlich: 1.) H. D. George Andreas Joachim, 2.) Herr Capell-Meister Johann Sebastian Bach, 3.) Herr Johann David Kirsch, 4.) Hr. Johann Christian Weyrauch, 5.) Hr. Carl Gotthelff Gerlach, sollen sich durch das Loß darein theilen, jedoch daß meine Erbin zwey Stück, welche sie ohne Loß nach ihren Gefallen davon wegnehmen kann, vor sich behält, die andern nebst ihr benandten Freunde sollen jeglicher vor sich durchs Loß ein Stück erhalten.“ (Hoffmann 2015, S. 116 sowie Dok II, Nr. 573). Hoffmann starb am 1. Februar 1750, Bach am 28. Juli – zu einem unbekannten Zeitpunkt hatte er das Erbe seinem Sohn Johann Christoph Friedrich Bach, „Cammer Musicus bey des Herrn Grafens von der Lippe Excell.“ in Bückeburg übertragen, der am 7. August 1750, also zehn Tage nach seines Vaters Tod, zugunsten von Hoffmanns Erben auf das Musikinstrument verzichtete (Dok II, Nr. 613 und Dok II, Nr. 613a).

Bildnachweis: Bach-Archiv Leipzig (Dr. Markus Zepf, März 2020)

Amtshaus mit kirchlichen Gebäuden

Im Zuge der Reformation fielen die zum Thomaskloster gehörenden Gebäude nördlich der Thomaskirche an Herzog Moritz von Sachsen, der sie 1543 dem Rat der Stadt Leipzig verkaufte. Das Eckgebäude Thomasgasse / Klostergasse ließ der Herzog aber durch Georg Fachs zurückkaufen und für die Verwaltung des Amtes Leipzig umbauen. Das Amtshaus beherbergte seit dem 17. Jahrhundert das kurfürstliche Rentamt, von 1712 bis zur Einweihung eines repräsentativen Neubaus am Augustusplatzes 1839 das kurfürstliche (später königliche) Oberpostamt (in dem ab 1727 Bachs Textdichter Christian Friedrich Henrici arbeitete). Ab 1707 war im Amtshaus auch der Gottesdienstraum der evangelisch-reformierten Gemeinde untergebracht. Von Oktober 1721 bis 1751 stand der reformierten Gemeinde der zweisprachige Prediger Pierre de Coste vor, der wegen seines selbstbewusst-konzilianten Auftretens in Leipzigs Gelehrtenwelt angesehen war. In welchem Verhältnis die Familie Bach zu ihm stand, ist unbekannt. Die reformierte Gemeinde übernahm 1838 das Gebäude und weihte 1840 einen schlichten klassizistischen Predigtsaal ein, der bis zur Einweihung der repräsentativen Kirche mit Gemeinderäumen 1899 am Tröndlinring genutzt wurde.

In der Nacht vom 11. auf den 12. April 1749 brannte das Amtshaus fast vollständig aus und mit ihm ging der Großteil des Amtsarchivs unter, darunter Amtshandelsbücher und Amtshandelsrechnungen. Das wiedererrichtete Gebäude bestand bis 1902; an seiner Stelle entstand das mit Jugendstil- und neobarocken Elementen aufwendig gestaltete Warenhaus von Franz Ebert nach Plänen von August Hermann Schmidt und Arthur Johligeder.

Bildnachweis Graphik: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig / Foto März 2020: Bach-Archiv Leipzig (Dr. Markus Zepf)
 

Westlich des Amtshauses folgten an der Thomasgasse drei weitere städtische Gebäude. Im Haus Nr. 11 tagte seit dem frühen 17. Jahrhundert das Konsistorium, das aus zwei Theologen und zwei Juristen bestand und im Laufe der Jahre allmählich anwuchs. Als landesherrliche Behörde führte es die Aufsicht über die öffentlichen Gottesdienste, die Kirchenzucht und den Lebenswandel der Geistlichen, verwaltete die kirchlichen Güter, Hospitäler und Armenhäuser, war für die Einstellung von Mitarbeitern zuständig, die in der Regel von der Obrigkeit vorgeschlagen oder wenigstens bestätigt werden mussten. Darüber hinaus übte das Konsistorium die Gerichtsbarkeit über die Geistlichen und ihre Angehörigen, die kirchlichen Mitarbeiter sowie Einrichtungen wie Friedhöfe usw. aus. 1723 bestand das sächsische Konsistorium aus dem Direktor Doctor Johann Franz Born, den Assessoren Doctor Andreas Wagner, Doctor Gottfried Lange, Doctor Johann Schmidt, Doctor Salomon Friedrich Packbusch, Doctor Salomon Deyling, ferner dem Protonotar Daniel Petermann und dessen Gehilfen Ludwig Gottlob Petermann (die beide im Gebäude eine Dienstwohnung hatten); Johann Friedrich Hofmann war Aktuar und Johann Michael Steiner der Aufwärter.

Johann Sebastian Bach hatte mehrfach mit dem Konsistorium Kontakt. Zunächst musste die Behörde seine am 22. April 1723 erfolgte Wahl zum Kantor an der Thomasschule (Dok II, 130) bestätigen; Superintendent Salomon Deyling reichte am 8. Mai 1723 die Bitte um Bestätigung ein (Dok II, Nr. 134 und 135), die am 13. Mai 1723 ausgestellt wurde (Dok II, Nr. 136). In anderer Angelegenheit rief im September 1728 der Subdiakon an St. Nikolai, Gottlieb Gaudlitz, das Konsistorium in einem Streit mit dem Kantor an. Bisherigem Brauch folgend, suchte der Kantor die Gemeindelieder vor und nach der Predigt aus, was Anfang September aber in einem Vespergottesdienst Gaudlitz übernommen hatte. Es kam zum Disput mit Bach, der sich in seinem verbrieften Recht beschnitten fühlte, weshalb Gaudlitz am 7. September 1728 das Konsistorium wandte, das am nächsten Tag verlauten ließ, dass sich der Kantor in derlei Belangen künftig dem Prediger zu fügen habe (Dok II, 246). Zwei Wochen später brachte Bach die Meinungsverschiedenheit mit unbekanntem Ausgang vor den Rat der Stadt Leipzig (Dok I, Nr. 19).

Im linken Nebengebäude (Haus Nr. 12) wohnte der Thomasküster. Von 1716 bis zu seinem Tod am 16. November 1739 war dies der Theologe Johann Christoph Rost, sein Nachfolger wurde am 24. November 1739 sein bisheriger Stellvertreter Christian Köpping, der 1772 starb. Zu Beginn seiner Tätigkeit legte Rost zwei aufschlussreiche Handschriften zu liturgischen Belangen und der Geschichte der Thomaskirche an, die seine Nachfolger fortführten. Unter anderem überliefern sie wichtige Hinweise zu Aufführungen Bachscher Kantaten und Passionen sowie die Ausstattung der Thomaskirche zur Bachzeit. Im letzten Gebäude der Reihe (heute Thomaskirchhof 22) wohnte seit 1543 der Pastor der Thomaskirche, im 19. Jahrhundert der Superintendent.

Bildnachweis Aufnahme von Hermann Walter, 1880: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig / Foto März 2020: Bach-Archiv Leipzig (Dr. Markus Zepf)

Schellhafers Haus (Klostergasse 9)

In Nachbarschaft zum kurfürstlichen Amtshaus befand sich in der Klostergasse 9 ein Wohn- und Brauhaus, das seit 1499 zum Thomaskloster gehörte. Spätestens 1717 entstand hier ein repräsentatives viergeschossiges modernes Wohnhaus mit Mansardgeschoss und Dreiecksgiebel. 1720–1722 gehörte das Wohnhaus dem Weinhändler Johann Schellhafer, der hier eine Weinschänke betrieb. Das Hintergebäude von „Schellhafers Haus“ maß 20 m auf 8 m Grundfläche und verfügte im dritten Obergeschoss über einen geräumigen Saal, der nach dem damaligen Pächter Johann Georg Artopäus von 1739–1751 „Artopäischer Großer Saal“ hieß. An einer Stirnseite des Saals waren Öfen, gegenüber „ein Musicanten-Chor“ angebracht. In diesem Raum musizierte regelmäßige das vom Thomas- und Universitätsorganisten Johann Gottlieb Görner 1723–1756 geleitete studentische Collegium Musicum, außerdem nutzten Leipziger Familien den Saal für Hochzeiten. 1767–1909 war Schellhafers Haus das „Hôtel de Saxe“, das 1968 wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde. Der 1978 fertiggestellte Nachfolgebau enthält als Reminiszenz ein barocken Formen nachempfundenes Portal aus Rochlitzer Porphyr.

Bildnachweis: Bach-Archiv Leipzig (Fotografien: Dr. Markus Zepf, März 2020)

Im großen Saal von „Schellhafers Haus“ führte Johann Sebastian Bach mit Alumnen der Thomasschule und vermutlich studentischen Musikern mindestens drei Hochzeitsmusiken nach Texten Christian Friedrich Henricis auf. Am 5. Februar 1728 erklang – laut Kirchenbuch zur Mittagsstunde – die teilweise erhaltene Kantate Vergnügte Pleißen-Stadt BWV 216.1 zur Eheschließung des verwitweten Leipziger Kaufmanns Johann Heinrich Wolff (1690–1759) mit Susanna Regina Hemel (1708–1779) aus Zittau, Tochter eines königlich polnischen und kurfürstlich sächsischen Steuereinnehmers. In welcher Beziehung das zunächst im Thomasgässchen, später in der Reichsstraße wohnende Brautpaar zum Thomaskantor und Städtischen Musikdirektor Bach oder seinem Textdichter stand, ist unklar.

Am 18. Januar 1729 erklang Bachs im Textdruck erhaltene Kantate Der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harret BWV 1145 [früher: BWV Anh. I 211] zur Haustrauung des Juristen und Universitätsprofessors Johann Friedrich Höckner mit Jacobina Agnetha Bartholomäus, Tochter des Dresdner Hofmediziners Jacob Bartholomaei. Am 26. Juli 1729 schließlich führten Bach und seine Musiker die Hochzeitskantate Vergnügende Flammen, verdoppelt die Macht BWV 1146 [früher: BWV Anh. I 212] zur Trauung des verwitweten Kaufmanns Christoph Georg Winckler (1690–1748) mit Caroline Wilhelmine Jöcher (um 1710–1749), Tochter eines Leipziger Handelsmanns auf.

Wohnung Christian Friedrich Henricis ("Picander")

Durch die Universität blühte in der Handels- und Messestadt Leipzig die Gelegenheitsdichtung. Vor allem im 18. Jahrhundert ließen wohlhabende Bürger ihnen bedeutend erscheinende Ereignisses ihres Lebens durch dichterisch mehr oder weniger begabte Absolventen der Universität für die Nachwelt in Reimformen bringen. Zu den bekanntesten und sicherlich auch erfolgreichsten Lieferanten dieser Gattung gehörte zur Bachzeit der dichterisch begabte Christian Friedrich Henrici, genannt Picander. Sein Pseudonym soll von einem Jagdunfall 1722 herrühren, als er auf eine Elster – lateinisch Pica – zielte und versehentlich einen Bauern traf.

Sein Auskommen fand Henrici zunächst als Hauslehrer der Familie Koch, in deren am Marktplatz neben dem Rathaus gelegenen Haus er bis 1732 lebte (anstelle des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gebäudes ist heute eine Freifläche). Seine Gelegenheitsdichtungen trafen nicht nur den Geschmack seiner Auftraggeber, denn 1727–1737 gab er seine gesammelten Texte unter dem Titel Picanders ernst-schertzhaffte und satyrische Gedichte in vier stattlichen Bänden heraus, ein fünfter Band erschien 1751, wobei die Bände unterschiedliche Nachauflagen erzielten. Wie Hans-Joachim Kreutzer 1991 betonte, scheinen Picander Trauergedichte schwerer gefallen zu sein als Hochzeits- oder Huldigungsgedichte, denn unter seinen 650 überlieferten Dichtungen sind nur 56 Trauergedichte, denen 436 Hochzeitscarmina gegenüberstehen, während für etwa zwei Dutzend kein Anlass bekannt ist. Während der Messen waren sowohl der Kurfürst als auch Beamte des Dresdner Hofes in Leipzig und Picander könnte hier einflussreiche Fürsprecher gewonnen haben, denn ein Bittgedicht brachte ihm 1727 eine besoldete Stelle als Aktuar im kurfürstlichen Ober-Postamt ein. Er stieg zum „Secretarius“ und „Wirklichen Ober-Post-Amts Commissarius“ auf und erhielt 1740 zudem die einträglichen Aufgaben des Kreissteuer- und Stadttranksteuer-Einnehmers sowie die Weininspektion, was mit einem merklichen Rückgang seiner literarischen Produktion verbunden war.

Thomaskantor Bach und Henrici arbeiteten bis um 1740 fruchtbar zusammen, sei es in den zeitgenössisch Geistliche Concerte genannten Kirchenkantaten wie beispielsweise Es erhub sich ein Streit BWV 19 zum Michaelisfest 1726, die Matthäus-Passion BWV 244, Markus-Passion BWV 247 und das Weihnachts-Oratorium BWV 248 oder Gelegenheitswerke wie das Dramma per musica Zerreißet, zersprenget, zertrümmert die Gruft BWV 205.1 zum Namenstag des Leipziger Universitätsdozenten Dr. August Friedrich Müller am 3. August 1725 oder die ungleich bekanntere Kaffee-Kantate Schweigt stille, plaudert nicht BWV 211, deren Entstehungsanlass und Aufführungsort unbekannt sind. Für diese fruchtbare Zusammenarbeit dürfte die räumliche Nähe zwischen den Wohnungen Bachs am Thomaskirchhof und Henricis alias Picander günstige Voraussetzungen geliefert haben. 1720–1732 lebte er kaum fünf Gehminuten von der Thomasschule entfernt in Kochs Haus Markt 3 (das 1945 zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde), anschließend bis 1736 in Johann Schoppers Haus im Barfußgäßchen, dann in „Frau Mayens Haus“ Burgstraße 20. 1748 erwarb er einen Teil der Schlosswiesen am Ende der Burgstraße vor der kurfürstlichen Pleißenburg, wo er ein zweigeschossiges Wohnhaus erbaute, worin er bis zu seinem Tod wohnte. An dessen Stelle ist heute ein Teil des Burgplatzes, wo ein 2000 eingeweihter Denkstein an ihn erinnert. Henricis Ehefrau Johann Elisabeth übernahm am 30. Oktober 1737 neben Diakon Christian Weiße und Sophia Carolina Bose das Patenamt bei der Taufe von Johann Sebastian Bachs Tochter Johann Carolina Bach.

Bildnachweis: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig / Foto März 2020: Bach-Archiv Leipzig (Dr. Markus Zepf)

Bach privat

Über das Privatleben Johann Sebastian Bachs sind kaum Informationen erhalten. Das Ehepaar Bach lässt in der Thomaskirche 13 Kinder taufen, einige von ihnen werden nicht lange danach auf dem Johannisfriedhof zu Grabe getragen. In der Thomasschule bewohnt die Familie Bach eine Dienstwohnung, die nach dem Umbau der Schule 1732 auf rund 250 qm anwächst. Neben dem Rathaus am Marktplatz wohnt in Kochs Haus sein bevorzugter Textdichter Christian Friedrich Henrici, genannt Picander, der später wenige Meter vom Thomaskirchhof entfernt in der Burgstraße lebt - ob sich zwischen dem Dichter und dem Komponisten nur berufliche Bande entwickelt hatten, ist unbekannt. Mit einigen Leipziger Musikinstrumentenbauern stand Bach offenbar in gutem Verhältnis. Neben dem Orgel- und Claviermacher Zacharias Hildebrandt ist vor allem der Geigen- und Lautenmacher Johann Christian Hoffmann auf dem Grimmaischen Steinweg zu nennen, der zu den bedeutenden deutschen Geigenbauern seiner Zeit gehört. Bachs beharrliches Schweigen in privaten Dingen mildern die erhaltenen Briefentwürfe seines Schweinfurter Verwandten Johann Elias Bach, der einige Jahre als Privatsekretär im Haushalt lebte und hin und wieder kleine Einblicke in die private Sphäre gibt. Entsprechend gering fallen die Einträge im Menüpunkt "Bach privat" aus.

Naschmarkt mit Handelsbörse

Der Handel mit allerhand Waren sowie die drei jährlichen Messen zu Neujahr, Jubilate (dritter Sonntag nach Ostern) und Michaelis (29. September) begründeten Leipzigs Wohlstand. Seit 1635 berieten Kaufleute zu Messezeiten in wechselnden Räumen bei börsenmäßigen Zusammenkünften über Geld- und Wechselkurse, die das bargeldlose Bezahlen der gehandelten Waren ermöglichten. Eine Leipziger Wechselordnung schrieb strenge Regeln fest, die den Handelsplatz Leipzig stärkte. 30 Kaufleute beantragten schließlich 1678 beim Stadtrat den Bau eines Börsengebäudes. Nach eingehender Beratung und einstimmigem Beschluss erfolgte im Schatten des Rathauses an der Nordseite des Naschmarkts am 30. Mai 1678 die Grundsteinlegung für die Handelsbörse in „italiänischer Manier“ eines unbekannten Architekten. Im Erdgeschoss befanden sich Kaufgewölbe, der zunächst schlichte Börsensaal im Obergeschoss war über eine doppelläufige Freitreppe erreichbar und erhielt erst nach einigen Jahren Stuckaturen und Deckenmalereien. Ganzjährig wurde hier dreimal wöchentlich börsenmäßig gehandelt.

Im Zuge der Erweiterung des Rathauses unter Hieronymus Lotter ließ der Rat zahlreiche kleinere Gebäude aufkaufen und abbrechen, sodass östlich des Verwaltungssitzes mit dem Naschmarkt ein vom Rat kontrollierter Handelsplatz für Lebensmittel entstand. Der 1566 von Paul Wiedemann erbauten Garküche waren die Brotbänke vorgelagert, an denen Bäcker ihre Waren feilboten. Im benachbarten Burgkeller schenkte der Rat der Stadt Leipzig sowohl Leipziger Bier als auch das exklusiv eingeführte Torgauer Bier aus. Ein Durchgang stellte die Verbindung zu den Fleischbänken an der Reichsstraße her, wo Mitglieder der Leipziger Fleischhauer- oder Metzgerzunft in einem fast vierzig Meter langen, zweischiffigen Erdgeschossgewölbe mit toskanischen Säulen ihre Produkte zum Kauf anboten.

Vor allem zu Messezeiten war die am Michaelistag, dem 29. September 1703 privilegierte „Chaisenträger-Compagnie“ begehrt. Sie mussten werktags zwischen 6 und 20 Uhr an der Börse aufwarten und Kundschaft aufnehmen, nachts mussten sich zwei Sänftenträger am „vor die Laternen-Wärter bestimmten Orte“ verfügbar halten. Sie waren städtische Angestellte und trugen eine Dienstuniform, wenn sie Passagiere gegen Bezahlung in Tragsesseln durch die engen Straßen der Stadt oder in die Vorstädte beförderten. Die Passagiere handelten die Bezahlung jeweils aus, wobei eine städtische Verordnung als Höchstbetrag innerhalb der Stadtmauern 2 Groschen, in die Vorstädte 4 Groschen festlegte. In welchem Maße Johann Sebastian Bach oder seine Ehefrau Anna Magdalena Bach hiervon Gebrauch machten, ist unbekannt.

Bildnachweis Graphik: Bach-Archiv Leipzig
Bildnachweis Fotografie Handelsbörse Atelier Hermann Walter: Stadtarchiv Leipzig
Bildnachweis Fotografie Naschmarkt Ostseite Atelier Hermnn Walter: Stadtarchiv Leipzig

Bach-Denkmal (Platz der Demokratie)

An der Südseite des Schlosses erinnert eine von Bruno Eyermann (1888–1961) geschaffene Bronzebüste an Johann Sebastian Bach. Zu dessen 200. Todestag war 1950 in Weimar ein Ideenwettbewerb zur Gestaltung eines Bach-Denkmals ausgeschrieben worden, doch von 120 eingereichten Entwürfen gelangte keiner zur Ausführung. Als Interimslösung wurde bei Bruno Eyermann, der 1943 eine Bach-Büste aus Lahnmarmor gefertigt hatte, ein Bronzeabguss bestellt, den die Leipziger Bronzebildgießerei Noack ausführte. Die Büste von 1943 befindet sich seit 1961 im Bach-Archiv Leipzig.

Zwei Jahre lang stand Eyermanns Bronzebüste vor der Ruine des Wohnhauses Markt 16. Mit dem Bau der provisorischen Blendmauer, die heute einen Hotelparkplatz kaschiert, wanderte das „kleine Bach-Denkmal“ in den Vorraum des „Bachsaals“, der 1950–1962 als Konzertsaal dienenden profanierten Schlosskappelle im südlichen Westflügel der Wilhelmsburg. Der ehemalige Kirchenraum wurde ab 1962 in ein Büchermagazin umgestaltet, die Bach-Büste wanderte ins Magazin. Dem Lions Club Weimar gelang es schließlich, die Büste auf einem gestifteten Postament aus Muschelkalk mit sinnreicher Inschrift gegenüber dem ehemaligen Wohnhaus Markt 16 in einer Nische des Roten Schlosses öffentlich aufzustellen und am 7. Dezember 1995 einzuweihen.

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Juni 2019)

Geleitschänke (Wohnhaus Salomo Franck)

Nicht weit von der Stadtkirche entfernt, befand sich in der heutigen Scherfgasse 4 das sogenannte Geleithaus. Das Geleitsrecht war ein obrigkeitliches Recht und umfasste einmal den Unterhalt der Reisewege und Brücken, zum anderen die Reisebegleitung durch Geleitsführer oder bewaffnete Begleitet. In der Geleitschänke konnten die Begleiter auf der Strecke Frankfurt am Main – Leipzig Station machen, außerdem wurden im Geleithaus die Abgaben für Reisende und Warentransporte erhoben. Die um 1560 errichtete Geleitschänke in der heutigen Scherfgasse 4 ist eines der wenigen erhaltenen Weimarer Wohnhäuser der Renaissance mit sichtbarem Fachwerk. Der südliche Schaugiebel ist mit einer dichter Reihung von Stielen und doppelten Andreaskreuzen in den Brüstungsfeldern geziert. Zu seiner Entstehungszeit war das Fachwerk meist rot, schwarz oder grau gestrichen, der Anstrich zum Teil auf verputzte und mit heller Kalktünche versehenen Gefache gezogen.

In diesem schmucken Gebäude wohnte der Hofregistrator Salomo Franck (1659–1725), der für etwa 20 Kantaten Johann Sebastian Bachs die Texte lieferte. Am 6. März 1659 in Weimars Stadtkirche getauft, ließen ihn seine Eltern bereits am 1. Oktober 1677 an der Universität Jena immatrikulieren. Über Stationen in Arnstadt und Jena kehrte Franck 1701 nach Weimar zurück und bekleidete das Amt des „Gesammten Consistorial-Sekretärs“. Herzog Wilhelm Ernst betraute ihn mit der Leitung der herzoglichen Büchersammlung, die Franck zu einer überregional bedeutenden Sammlung ausbaute. Seine Gesundheit verschlechterte sich ab 1720 zusehends; am 14. Juni 1725 wurde Salomo Franck in feierlicher Prozession auf dem Jakobskirchhof bestattet.

Zur fruchtbaren Zusammenarbeit mit Johann Sebastian Bach gehört die vermutlich im Februar 1713 erstmals zum Geburtstag Herzog Christians von Sachsen-Weißenfels aufgeführte „Jagdkantate“ BWV 208.1, die Bach spätestens 1716 – mit angepasstem Text – zum Geburtstag seines Dienstherrn, Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar, aufführte. Zu den frühen geistlichen Kantaten der Zusammenarbeit gehören beispielsweise Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen (BWV 12, aufgeführt am 22. April 1714) und Erschallet, ihr Lieder (BWV 172, aufgeführt am 20. Mai 1714) sowie Herz und Mund und Tat und Leben (BWV 147.1, aufgeführt am 20. Dezember 1716).

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Juni 2019)

Herzogliches Gymnasium »Wilhelmo Ernesto«

Auch wenn Johann Sebastian Bach als Hoforganist und ab 1714 als Konzertmeister nicht am 1712 durch Herzog Wilhelm Ernst gegründeten Gymnasium tätig war, bestanden doch einige personelle Beziehungen. Ab 1712 war Johann Christoph Kiesewetter (1666–1744) hier Rektor, der zuvor die Lateinschule in Ohrdruf leitete, die Johann Sebastian Bach 1695–1700 besuchte. Stadtkantor Reineccius wirkte hier als Lehrer (Quartus) und Johann Matthias Gesner (1691–1761) ab dem 13. März 1715 als Konrektor, der zugleich Bibliothekar der Schlossbibliothek Weimar war. Ihm begegnete Bach wieder in Leipzig, wo Gesner 1730–1734 als Nachfolger Johann Heinrich Ernestis zum Rektor der Thomasschule gewählt wurde. In einer Fußnote zu einem Satz Quintilians rühmt Gesner 1738 sowohl Bachs virtuoses Orgelspiel als auch dessen Kunst der Ensembleleitung, wenn auch etwas idealisiert-überhöht dargestellt (Dok II, 432).

Untergebracht war das Gymnasium anstelle der alten Land- und Stadtschule, die Herzog Johann Friedrich II. von Sachsen-Weimar 1561 gegründet hatte. Das alte Schulhaus am Töpfermarkt ließ Herzog Wilhelm Ernst infolge der Neugründung 1712 abbrechen. Baumeister Christian (II.) Richter konzipierte östlich der Stadtkirche St. Peter und Paul einen freistehenden dreigeschossigen Neubau mit doppelläufiger Treppe, Mittelrisalit und Segmentbogen in Blickachse der Kaufstraße. Rasch entwickelte sich Weimars Gymnasium zu einer wichtigen Pflegestätte humanistischer Bildung.

Bildnachweis: Dr. Markus Zepf (Bach-Archiv Leipzig, Juni 2019)

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